Ausgewählte Zyklen und Vorträge aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners

 

Rudolf Steiner (1861-1925):

GA 107 Geisteswissenschaftliche Menschenkunde

4. Vortrag Berlin, 26. Oktober 1908

Umwandlung des Gefühls in Imagination und des Willens in Inspiration. Kamaloka und Devachan.

Unser heutiger Vortrag soll handeln von den Bedingungen, die der Mensch zu erfüllen hat, wenn er die in ihm schlummernden Kräfte und Fähigkeiten ausbilden und zu eigener Erfahrung und Beobachtung der höheren Welten kommen will. Sie haben in den Artikeln «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» ein Bild von mancherlei, was der Mensch zu erfüllen hat, wenn er den Erkenntnispfad gehen will, wenn er hinaufdringen will in die höheren Welten. Doch können diese Artikel nur Einzelheiten geben. Selbst wenn man sie dreimal, ja zehnmal größer im Umfang machen würde - es ist über alles in diesem Gebiete unendlich viel zu sagen! Es wird daher immer nützlich sein, wenn man nach dieser oder jener Richtung hin weitere Ausführungen gibt. Man kann die Dinge jedesmal nur von einer gewissen Seite her beleuchten, und man muß den Grundsatz festhalten, das, was man von einer Seite her gewonnen hat, zu ergänzen dadurch, daß es von einer anderen Seite her beleuchtet wird. Wir wollen uns heute zur Aufgabe setzen, manches von dem, was Bedingungen des Erkenntnispfades, Bedingungen des Aufstieges in die höheren Welten ist, skizzenhaft von einer gewissen Seite her zu beleuchten.

Sie erinnern sich an die Andeutungen, die in der Interpretation über Goethes «Märchen» gegeben worden sind. Es handelt sich darum, daß der Mensch Seelenkräfte verschiedener Art hat und daß von der Ausbildung derselben: also des Denkens in sich selbst, des Fühlens in sich selbst und des Wollens in sich selbst, der Aufstieg auf der einen Seite abhängt, und auf der anderen Seite, daß der Mensch durch die Methode der Übungen diese drei in das richtige Maßverhältnis zueinander bringt. Das Wollen, Fühlen und Denken muß in Erkenntnis der einzelnen, geistigen Lebensziele immer in genau richtigem Maße zur Entwickelung gebracht werden. Für ein bestimmtes Ziel muß zum Beispiel das Wollen zurücktreten, das Fühlen dagegen stärker hervortreten, für ein anderes Ziel muß das Denken zurücktreten

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und wieder für ein anderes Ziel das Fühlen. Alle diese Seelenkräfte müssen durch die okkulten Übungen in richtiger Proportion ausgebildet werden. Mit der Ausbildung des Denkens, Fühlens und Wollens hängt der Aufstieg in die höheren Welten zusammen.

Vor allem handelt es sich um eine Läuterung, Reinigung des Denkens. Das ist nötig, damit das Denken nicht mehr abhängig ist von der äußeren Sinnesbeobachtung, die auf dem physischen Plan gewonnen werden kann.

Doch nicht nur das Denken, sondern auch das Fühlen und Wollen können Erkenntniskräfte werden. Sie gehen im gewöhnlichen Leben persönliche Wege. Sympathie und Antipathie gehen auf die einzelne Persönlichkeit hin zugeschnittene Wege. Sie können aber zu objektiven Erkenntniskräften werden. Es mag dieses unglaublich klingen für die heutige Wissenschaft. Vom Denken, besonders von dem auf die sinnliche Beobachtung gerichteten vorstellungsmäßigen Denken, glaubt man das leicht, aber wie sollten Menschen zugeben können, daß das Gefühl eine Erkenntnisquelle werden könne, wenn sie sehen, wie gegenüber demselben Dinge der eine so, der andere so fühlt? Wie könnte man annehmen, daß etwas so Schwankendes, was so von der Persönlichkeit abhängt wie Sympathie und Antipathie, maßgebend werden könne für eine Erkenntnis, und daß sie so weit diszipliniert werden können, daß sie das innerste Wesen eines Dinges erfassen könnten. Daß der Gedanke es tut, dies kann man leicht begreifen; daß aber auch dann, wenn wir einem Dinge gegenüberstehen und dieses Ding in uns ein Gefühl erweckt, dieses Fühlen so in uns vorhanden sein kann, daß nicht die Sympathie oder Antipathie des einzelnen spricht, sondern es selbst zum Ausdrucksmittel werden kann für das, was im Innersten des Dinges vorhanden ist, das scheint schwer glaublich. Daß ferner auch die Kraft des Willens und Begehrens Ausdrucksmittel werden kann für das Innere, das scheint zunächst geradezu frivol.

Ebenso aber, wie das Denken gereinigt und dadurch objektiv werden kann, so daß es zum Ausdrucksmittel der Tatsachen sowohl in der sinnlichen als auch in den höhern Welten wird, so kann auch das Fühlen und das Wollen objektiv werden. Doch diese Sache darf nicht mißverstanden werden. So wie das Gefühl im heutigen Menschen

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im gewöhnlichen Leben ist, in seinem unmittelbaren Gefühisinhalte, so wird es nicht zum Ausdrucksmittel einer höheren Welt. Dies Gefühl ist etwas Persönliches; die okkulten Übungen, die der Schüler erhält, gehen darauf aus, dies Gefühl zu kultivieren, das heißt zu verändern, zu verwandeln. Dadurch wird das Gefühl allerdings etwas anderes, als es war, da es noch persönlich war.

Nun darf man aber nicht glauben, wenn man auf dem okkulten Pfade durch die Ausbildung des Gefühls eine gewisse Stufe erlangt hat, daß man dann etwa vom Gesichtspunkte des erkennenden Menschen aus sagen könne: Ich habe eine Wesenheit vor mir und ich fühle etwas von dieser Wesenheit -, und daß dasjenige, was man da im Gefühl hat, eine Wahrheit, eine Erkenntnis sei. Der Vorgang ist ein viel intimerer, innerlicherer, der an der Hand der okkulten Übungen das Gefühl umwandelt.

Das drückt sich darin aus, daß derjenige, der durch die Übungen sein Gefühl verwandelt hat, zu der imaginativen Erkenntnis kommt, so daß sich ihm ein geistiger Inhalt in Symbolen offenbart, die Ausdruck sind dessen, was in der astralischen Welt an Tatsachen und Wesenheiten vorhanden ist. Das Gefühl wird anders, es wird Imagination, so daß im Menschen die astralen Bilder auftauchen, die ihm die Geschehnisse des Astralraumes ausdrücken. Der Mensch sieht nicht so, wie in der physischen Welt, zum Beispiel eine Rose mit Farben überzogen, sondern in symbolischen Bildern, und zwar alles, was uns in der okkulten Wissenschaft vorgeführt wird, in Bildern. So das schwarze Kreuz, das mit Rosen geziert ist. Alle solche Symbole sollen eine bestimmte Tatsache zum Ausdruck bringen und entsprechen ebenso astralen Tatsachen, wie das, was wir in der äußeren physischen Welt sehen, physischen Tatsachen entspricht. Man bildet also das Gefühl aus, erkennt aber in der Imagination.

Ebenso ist es mit dem Willen. Wenn man die Stufe erlangt hat, die durch Schulung des Willens bis zu einem gewissen Grade erlangt werden kann, dann sagt man nicht, wenn eine Wesenheit einem entgegentritt: sie erweckt in mir ein Begehrungsvermögen, sondern, wenn der Wille ausgebildet ist, beginnt man dasjenige wahrzunehmen, was Gegenstand des Tönens im Devachan ist. Das Gefühl wird in uns ausgebildet, und das astralische Schauen

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in der Imagination ist die Folge. Der Wille wird in uns ausgebildet, und das Erleben des devachanischen Geschehens in der geistigen Musik, der Sphärenharmonie, aus der uns heraustönt die innerste Natur der Dinge: das ist die Folge.

Ebenso wie man das Denken ausbildet und dadurch zum objektiven Denken gelangt, was die erste Stufe ist, so bildet man das Fühlen aus, und es wird auf der Stufe der Imagination eine neue Welt aufgehen. Und ebenso bildet man den Willen aus, und es ergibt sich in der Inspiration die Erkenntnis der niederen devachanischen Welt, und endlich tut sich in der Intuition die höhere devachanische Welt vor dem Menschen auf.

So können wir sagen: Indem sich der Mensch in die nächste Stufe des Daseins hinaufhebt, ergeben sich ihm Bilder, die wir aber jetzt nicht mehr so anwenden wie unsere Gedanken, so daß wir fragen: wie entsprechen diese Bilder der Wirklichkeit? Sondern die Dinge zeigen sich ihm in Bildern, die aus Farben und Formen bestehen, und durch die Imagination muß der Mensch selber die Wesenheiten, die sich ihm so symbolisch zeigen, enträtseln.

In der Inspiration sprechen die Dinge zu uns, da brauchen wir nicht zu fragen, nicht zu enträtseln in Begriffen, das wäre ein Übertragen der Theorie des Erkennens vom physischen Plan, sondern da spricht das innerste Wesen der Dinge selbst zu uns. Wenn uns ein Mensch entgegentritt, der sein innerstes Wesen uns zum Ausdruck bringt, so ist das anders, als wenn wir einem Stein gegenüber sind. Den Stein müssen wir enträtseln und über ihn nachdenken. Beim Menschen ist etwas, was wir nicht so erfahren, sondern wir erfahren sein Wesen in dem, was er zu uns sagt: er spricht zu uns. So ist es mit der Inspiration. Da ist es nicht ein begriffliches diskursives Denken, sondern da hört man hin, was die Dinge sagen; sie sprechen selber ihr Wesen aus. Es hätte keinen Sinn, wenn man sagen wollte: Wenn jemand stirbt und ich treffe ihn im Devachan wieder, werde ich da wissen, wen ich da treffe, da doch die devachanischen Wesenheiten anders ausschauen müssen und nicht verglichen werden können mit dem, was auf dem physischen Plan ist? - Im Devachan sagt das Wesen selbst, was es für ein Wesen ist, so wie wenn ein Mensch uns nicht nur seinen Namen sagen würde, sondern wie wenn er fortwährend sein

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Wesen uns zufließen ließe. Das strömt uns durch die Sphärenmusik zu; ein Verkennen ist da nicht mehr möglich.

Nun ist das ein gewisser Anhaltspunkt zur Beantwortung einer Frage. Man kommt sehr leicht zu Mißverständnissen durch die verschiedenen geisteswissenschaftlichen Darstellungen und glaubt leicht, daß die physische, die astralische und die devachanische Welt sich räumlich voneinander unterscheiden. Wir wissen ja: da, wo die physische Welt ist, da ist auch die astralische und devachanische; sie sind ineinander. Nun könnte man da die Frage aufwerfen: Wenn alles ineinander ist, da kann ich die drei Welten ja nicht unterscheiden wie im physischen Raum, wo alles nebeneinander ist. Wenn das Jenseits im Diesseits darin steckt, wie unterscheide ich dann die astralische und die devachanische Welt voneinander?

Dadurch unterscheidet man sie, daß, wenn man vom Astralischen zum Devachanischen aufsteigt, die Summe von Bildern und Farben in demselben Maße, als man hinaufsteigt in das Devachanische, in ihren Formen durchklungen werden. Dasjenige, was vorher geistig leuchtend war, wird nunmehr geistig tönend. Es gibt auch einen Unterschied im Erleben der höheren Welten, so daß derjenige, der sich hinauflebt, immer an bestimmten Erlebnissen erkennen kann, ob er in dieser oder jener Welt ist.

Heute sollen die Unterschiede in bezug auf das Erleben der astralischen und der devachanischen Welt charakterisiert werden. Also nicht nur dadurch, daß die astralische Welt durch Imagination und die devachanische durch Inspiration erkannt werden, sondern auch durch andere Erlebnisse wissen wir, in welcher Welt wir sind.

Ein Glied in der astralischen Welt ist diejenige Zeit, die der Mensch unmittelbar nach dem Tode zu durchleben hat und die in der geisteswissenschaftlichen Literatur die Kamaloka-Zeit genannt wird. Was heißt im Kamaloka sein? Wir haben öfters versucht, durch Umschreibungen zu geben, was es heißt, im Kamaloka zu sein. Ich habe oft das charakteristische Beispiel herangezogen von dem Feinschmecker, der da lechzt nach dem Genuß, den ihm nur der Geschmackssinn verschaffen kann. Der physische Leib ist abgestreift und zurückgelassen beim Tode, der Ätherleib zum großen Teil auch, aber der

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astralische Leib ist noch vorhanden, und der Mensch ist im Besitz seiner Eigenschaften und Kräfte, die er im Leben innerhalb des physischen Leibes gehabt hat. Diese ändern sich nicht sofort nach dem Tode, sondern erst nach und nach. Wenn der Mensch Sehnsucht gehabt hat nach leckeren Speisen, so bleibt ihm diese Sehnsucht, dieses Lechzen nach dem Genuß, aber es fehlt ihm nach dem Tode das Instrument, dieselbe zu befriedigen, denn der physische Leib mit seinen Organen ist nicht mehr da. Er muß den Genuß entbehren, und er lechzt nach etwas, was er entbehren muß. Das gilt für alle eigentlichen Kamaloka-Erlebnisse, und diese bestehen eigentlich in nichts anderem als in dem Leben, in dem Zustande innerhalb des astralischen Leibes, wo der Mensch noch Sehnsucht hat nach Befriedigungen, die nur durch den physischen Leib erfüllt werden können. Und weil er diesen nicht mehr hat, ist er genötigt, das Streben und Lechzen nach den Genüssen sich zu untersagen: das ist die Zeit des Abgewöhnens. Erst dann ist er davon befreit, wenn er diese Sehnsucht aus dem Astralleib herausgerissen hat.

Während dieser ganzen Kamaloka-Zeit lebt etwas in dem Astralleib, was man Entbehrung nennen kann, Entbehrung in den verschiedensten Formen und Nuancen und Differenzierungen; das ist der Inhalt des Kamaloka. Ebenso wie man das Licht in rote, gelbe, grüne, blaue Töne differenzieren kann, so sind auch die Entbehrungen in den verschiedensten Qualitäten zu differenzieren, und das Merkmal der Entbehrung ist das Kennzeichen des Menschen, der in Kamaloka ist. Doch der Astralplan ist nicht nur Kamaloka, sondern er ist weit umfassender. Aber niemals würde ein Mensch, der nur in der physischen Welt gelebt und nur ihren Inhalt erlebt hat, zunächst - sei es nach dem Tode oder durch andere Mittel, die astralische Welt zu erleben -, wenn er sich nicht vorbereitet hat, die anderen Teile der astralischen Welt erleben können. Er kann zunächst die astralische Welt nicht anders erleben als in der Entbehrung.

Wer in die höheren Welten hinauf kommt und weiß: ich entbehre dies oder jenes, und es ist keine Aussicht, es zu erhalten - der erlebt den Bewußtseinsinhalt der astralischen Welt. Auch wenn sich jemand als Mensch okkulte Mittel geben lassen könnte, so daß er aus seinem

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Leibe heraus den Astralplan betreten könnte, er würde immer die Entbehrung in der astralischen Welt erleiden müssen.

Was wird dadurch bewirkt? Denken wir zunächst einmal an die Erfahrungen im Kamaloka. Denken wir, jemand geht durch den Tod oder durch andere Dinge aus dem physischen Leib hinaus, so werden ihm die physischen Instrumente des Leibes fehlen. Dadurch fehlt ihm unbedingt das Werkzeug für irgendeine Befriedigung. Es tritt sofort Entbehrung ein, und diese tritt als imaginatives Bild in der astralischen Welt auf. Zum Beispiel erscheint ein rotes Fünfeck, oder ein roter Kreis. Dies ist nichts anderes als das Bild dessen, was in das Gesichtsfeld der Menschen eintritt und dem Entbehren ebenso entspricht, wie in der physischen Welt ein Objekt auf dem physischen Plan dem entspricht, was man in der Seele als Vorstellung davon erlebt. Hat man sehr niedere Gelüste, sehr tiefstehende Begierden,

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dnnn treten grauenvolle Tiere dem Menschen entgegen, wenn er aus dem Leib heraus ist. Diese furchtbaren Tiere sind das Symbolum für diese niedrigsten Gelüste. Hat man aber Entsagung gelernt, dann verwandelt sich in dem Augenblick, wo man durch den Tod oder die Initiation aus dem Leib heraus ist, der rote Kreis, weil man das Rot mit dem Gefühl der Entsagung durchdringt, in nichts, und es entsteht ein grüner Kreis. Ebenso wird das Tier durch die Entsagungskräfte verschwinden, und ein edles Gebilde der astrallschen Welt wird erscheinen.

So muß der Mensch erst das, was ihm objektiv gegeben ist, den roten Kreis oder das scheußliche Tier, durch die ausgebildeten Entsagungskräfte, durch den Verzicht, in sein Gegenteil umwandeln. Die Entsagung zaubert heraus aus unbekannten Tiefen die wahren Gestalten der astralischen Welt. So darf also kein Mensch glauben, wenn er sich im echten Sinne in die astralische Welt hinaufschwingen will, daß dabei nicht das Mittun seiner Seelenkräfte notwendig sei. Er würde ohne dieses nur in einen Teil der astralischen Welt gelangen. Er muß verzichten, auch auf alle Imagination. Wer verzichtet, der entsagt, und das ist dasjenige, was die wahre Gestalt der astralischen Welt hervorzaubert.

Im Devachan hat man Inspiration. Auch hier gibt es eine innerliche Unterscheidung für die Teile des Devachan, die der Mensch nicht passiv erleben kann, wenn er sie nach dem Tode erlebt. Im Devachan ist es so, daß durch einen gewissen Weltenzusammenhang noch nicht soviel Unheil angerichtet ist. Die astralische Welt hat das furchtbare Kamaloka in sich, aber das Devachan hat das noch nicht. Das wird erst im Jupiter- und Venuszustand der Fall sein, wenn durch Anwendung der schwarzen Magie und dergleichen dasselbe in den Dekadenzzustand übergegangen sein wird. Dann freillch wird sich im Devachan Ähnliches entwickeln wie dasjenige, was heute in der astralischen Welt ist. Hier im Devachan ist also im jetzigen Entwickelungszykius das Verhältnis etwas anders.

Was tritt zunächst vor dem Menschen auf, wenn er auf dem Erkenntnispfad aufsteigt von der astralischen Welt zum Devachan, oder wenn er den Weg des einfachen Menschen geht und er nach dem

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Tode hinaufgeführt wird, was erlebt er dann im Devachan? Seligkeit erlebt er! Das, was sich aus den Farbennuancen in Töne herausdifferenziert, das ist unter allen Umständen Seligkeit. Im Devachan ist auf der heutigen Stufe der Entwickelung alles ein Hervorbringen, Produzieren, und in bezug auf die Erkenntnis ein geistiges Hören. Und Seligkeit ist alles Produzieren, Seligkeit ist alles Hören der Sphärenharmonie. Der Mensch wird im Devachan nur Seligkeit, lauter Seligkeit empfinden. Wenn er durch Mittel geistigen Wissens durch die Leiter der menschlichen Entwickelung, die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen, oder aber im Falle des gewöhnlichen Menschen nach dem Tode hinaufgeführt wird: er wird immer Seligkeit dort erleben. Das ist dasjenige, was der Eingeweihte erleben muß, wenn er so weit gekommen ist auf dem Erkenntnispfad.

Aber es liegt in der Fortentwickelung der Welt, daß es nicht bei der bloßen Seligkeit bleiben darf. Das würde nur eine Steigerung des raffiniertesten spirituellen Egoismus bedeuten. Die Individualität des Menschen würde immer nur in sich aufnehmen die Wärme der Seligkeit, die Welt aber würde so nicht weitergehen. So würden Wesen ausgebildet, die sich in sich selbst seelisch verhärten. Zum Heile und Fortschritt der Welt muß daher derjenige, der durch die Übungen in das Devachan hineinkommt, nicht nur die Möglichkeit erhalten, in der Sphärenmusik alle Nuancen der Seligkeit zu erleben, sondern er muß in sich Gefühle des Gegenteils der Seligkeit entwickeln. Wie das Entsagen dem Entbehren gegenübersteht, so verhält sich das Gefühl der Opferung zur Seligkeit, der Opferung, die da bereit ist, dasjenige, was man als Seligkeit erhält, auszugießen, es in die Welt fließen zu lassen.

Dies Gefühl des Sich-Opferns haben jene göttlichen Geister, die wir die Throne nennen, gehabt, als sie begannen ihren Anteil zu haben in der Schöpfung. Als sie ihren eigenen Stoff auf dem Saturn ausgegossen haben, da haben sie sich hingeopfert für die werdende Menschheit. Das, was wir heute als Stoff haben, ist dasselbe, was sie ausströmten auf dem Saturn. Und ebenso haben sich die Geister der Weisheit auf der alten Sonne hingeopfert. Diese göttlichen Geister sind hinaufgestiegen in die höheren Welten, sie haben das Erlebnis

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der Seligkeit nicht nur passiv hingenommen, sondern sie haben bei dem Durchgang durch das Devachan gelernt, sich zu opfern. Sie sind nicht ärmer durch dies Opfer geworden, sondern reicher. Nur ein Wesen, das ganz in der Materie lebt, glaubt, durch das Opfern schwinde es dahin - nein, ein Sich-höher-, Sich-reicher-Entwickeln ist mit dem Hinopfern im Dienst der universalen Evolution verknüpft.

So sehen wir, daß der Mensch aufsteigt zur Imagination und Inspiration und eintritt in jene Sphäre, wo sein ganzes Wesen sich durchdringt mit immer neuen Nuancierungen der Seligkeit, wo er sozusagen alles um sich herum so erlebt, daß es nicht nur zu ihm spricht, sondern wo alles um ihn herum wird ein Aufsaugen der geistigen Töne der Seligkeit.

In der Wandlung der ganzen Gefühle, die der Mensch hat, besteht der Aufstieg zum höheren Erkenntnisvermögen, und die okkulte Schulung besteht in nichts anderem, als daß die Regeln und Methoden, die uns die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen gegeben haben und die durch jahrtausendealte Erfahrung erprobt sind, daß durch diese Regeln und Methoden Gefühl und Wille des Menschen gewandelt wird und daß ihn dies hinaufführt zu höheren Erkenntnissen und Erlebnissen. Dadurch, daß der Schüler nach und nach seinen Gefühls- und Willensinhalt okkult kultiviert und umbildet, erlangt er diese höheren Fähigkeiten.

Wer in der geisteswissenschaftlichen Bewegung darinnensteht, darf es nicht gleichgültig nehmen, ob er drei oder sechs oder sieben Jahre dazu gehört. Das hat etwas zu bedeuten. Das Gefühl des Miterlebens dieses inneren Wachstums durch seine innere Gesetzmäßigkeit, das soll sich der Schüler klarmachen. Es handelt sich darum, daß wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, sonst gehen die Wirkungen desselben an uns vorüber.