Ausgewählte Zyklen und Vorträge aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners

 

Rudolf Steiner (1861-1925):

GA 107 Geisteswissenschaftliche Menschenkunde

18. Vortrag Berlin, 3. Mai 1909

Entstehung und Entwicklung der menschlichen Rassen während der lemurischen und atlantischen Zeit.

Nachdem wir vor acht Tagen uns bekanntgemacht haben mit dem, was des Menschen Inneres an ganz bestimmten alltäglichen Einzel­heiten zum Ausdruck bringt, im Lachen und Weinen, werden wir uns heute bekanntzumachen haben mit Verhältnissen unserer näheren und weiteren Umgebung, von denen dieses Innere des Menschen, und damit überhaupt die ganze Entwickelung des Menschen, in einer gewissen Beziehung abhängt. Menschenkunde im weitesten Umfange ist ja das gewesen, was wir in diesem Winter hier in den Zweigvorträgen getrieben haben, und Menschenkunde auf den verschiedensten Gebieten soll es auch weiterhin sein, was uns beschäftigen wird.

Wenn Sie einmal ein wenig Umschau halten in Ihrem Wissen über die irdischen Verhältnisse, dann werden Sie sich von vornherein auch bei einer verhältnismäßig oberflächlichen Betrachtung sagen, daß der Mensch unter verschiedenen Erdstrichen, in verschiedenen Gebieten unserer Erde, eine verschiedene Gestaltung annimmt. Die äußerlichen körperlichen Eigenschaften unterscheiden sich nach den verschiedenen Landesgebieten unserer Erde. Erinnern Sie sich daran, wie es «Rassen» gibt, die schwarze, rote, gelbe und weiße Rasse, und wie diese Rassen ursprünglich verknüpft sind mit gewissen Gebieten unserer Erde. Sie finden das auch bestätigt, wenn Sie in Ihr geschichtliches Wissen zurückblicken, sei es in bezug auf das, was heute die Schule gibt aus der Betrachtung der rein physischmateriellen Verhältnisse heraus, sei es das, was wir schon kennengelernt haben durch die anthroposophische Wissenschaft selber. Da blicken wir zurück in ferne Vergangenheit und sehen, wie sich des Menschen Seele, und eigentlich auch des Menschen Leib, in den verschiedenen Epochen der Erdentwickelung entfaltet hat. Wir haben ja auf den Gebieten der Geisteswissenschaft zurückgeblickt in das uralte Indien, in das alte Persien, Ägypten und so weiter. Wir haben gesehen, wie die einzelnen Fähigkeiten, die die Menschheit heute hat,

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nach und nach erst aufgeblüht sind. Das alles gibt Ihnen schon einen Begriff davon, wie äußere Verhältnisse zusammenhängen mit der Entfaltung der inneren menschlichen Wesenheit.

Nun fragen wir uns einmal: Wenn schon die heutigen Verhältnisse unserer Erde eine solche menschliche Verschiedenheit bewirken, was muß erst an Verschiedenheiten im Menschen bewirkt worden sein seit dem Beginn unserer Erdenentwickelung, als die Erdenentwickelung eigentlich erst begann, nachdem sie durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung hindurchgegangen war? Wir haben verschiedenes daraus beschrieben. Wir werden aber das, was wir heute zu beschreiben haben, wiederum von einem anderen Gesichtspunkt aus betrachten. Denn gerade dadurch lernen wir die Verhältnisse des Menschenwesens kennen, daß wir sie immer von neuen Gesichtspunkten aus betrachten.

Als diese Erde im Beginne ihrer Entwickelung war, da war sie ja noch, wie Sie wissen, mit Sonne und Mond ein Körper. Damals mußten also die Verhältnisse innerhalb unserer ganzen Entwickelung durchaus andere sein. Wie ganz anders mußte der Mensch sein, der sich innerhalb unserer Erdenentwickelung entfaltete, als die Erde noch mit der Sonne verbunden war; und wiederum wie anders mußte der Mensch werden, als erst die Sonne und dann auch noch der Mond sich von der Erde lostrennten!

Nun wissen wir ja, daß die Zeit, nach welcher sich die Sonne und der Mond abgetrennt hatten von der Erde, auch die Zeit der sogenannten lemurischen Entwickelung ist, in der der Mensch im Grunde genommen erst angefangen hat, spärlich angefangen hat, eine Gestalt zu bekommen, die einigermaßen ähnlich mit seiner heutigen ist. Wir haben das öfters so ausgedrückt, daß wir sagten: Eigentlich ist erst damals der Mensch von höheren Regionen auf die Erde herabgestiegen.

Als die Sonne noch mit der Erde verbunden war, war der Mensch zwar auch in einem physischen Leib, aber nicht in einem solchen wie heute. Damals war er etwa so in einem physischen Leibe, wie wenn Sie sich denken würden, daß der Mensch heute nicht mit seinen Füßen auf der Erde stände, sondern sich in die Luft erhöbe, und daß er ferner keine Knochenbestandteile in sich hätte, sondern noch der Luft- und der Wasserregion

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angehörte, wobei wir uns das Wasser in der Luft aufgelöst vorstellen müssen. Da würde er sich wie ein durchsichtiges Wesen im Umkreis der Erde befinden. Ein heutiges Auge würde diesen Menschen nicht unterscheiden können von seiner Umgebung, wie etwa ein heutiges Auge auch gewisse Meerestiere nicht von ihrer Umgebung unterscheiden kann, weil sie im Grunde geradeso aussehen wie ihre Umgebung. Wie ein durch die Luft hinhuschendes Wesen kann man sich einen solchen Menschen vorstellen.

Erst nach der Sonnen- und Mondentrennung ist der Mensch so geworden, wie wir ihn heute kennen. Was war denn die Bedingung, daß sich der Mensch zu dem entwickeln konnte, was er heute ist? Dazu war notwendig, daß die Sonnenkraft nicht von innen heraus, sondern von außen her auf die Erde wirkte. Das war ja der Sinn der Sonnen- und auch der Mondentrennung, daß diese beiden Weltenkörper ihre Kräfte, wie die Sonne ihr Licht, von außen her der Erde zusandten. Nur dadurch konnte der Mensch seine heutige Gestalt bekommen, daß ihn nicht das Licht der Sonne von unten herauf, vom Mittelpunkte des Weltenkörpers aus, sondern von der Seite her bestrahlte.

Denken Sie sich, wenn wir eine solche Hypothese annehmen wollten, daß der Mond heute wieder auf die Erde zurückfallen würde, die Sonne sich wieder mit der Erde vereinigte: dann müßte der Mensch, wenn er bestehen wollte, wieder einen Körper um sich herumlegen, der luftig wäre wie damals; er müßte sich wie ein hinhuschendes Wesen benehmen können in der Umgebung, in der er heute heimisch ist. So verdankt der Mensch sein gegenwärtiges Dasein der Bestrahlung von Sonne und Mond von außen. Wir wollen heute dabei von allen anderen Kräften absehen.

Nun wirken aber Sonne und Mond in verschiedener Weise von außen. Wie anders wirkt die Sonne in der Gegend des Nordpols und wie anders am Äquator. Da erhalten wir ein Bild von gewaltigen Unterschieden, die einen Sinn bekamen von dem Augenblick an, als die Sonne von außen die Erde bestrahlte. Sie wissen ja, je weiter wir nach dem Nordpol gehen, desto verschiedener sind die Verhält­nisse, die in bezug auf Winter und Sommer herrschen. Und am Nordpol zum Beispiel ist geradezu ein halbes Jahr Tag und ein halbes Jahr Nacht. Wenn Sie diese Verhältnisse ins Auge fassen, wird Ihnen

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erklärlich erscheinen, was die Geisteswissenschaft über diese Dinge zu berichten weiß. Sie weiß darüber zu sagen, daß gerade um den Nordpol herum die Verhältnisse der Erde in der lemurischen Zeit noch am allerähnlichsten waren denjenigen Verhältnissen, wie sie auf der Erde bestanden, als noch Sonne und Mond mit ihr vereinigt waren.

Heute sind allerdings diese Verhältnisse noch ganz andere geworden. Aber selbst heute gilt das noch in einer gewissen Beziehung, daß um den Nordpol herum der stärkste Einfluß vorhanden ist vom Mittelpunkte der Erde auf ihre Oberfläche und daß dort die Einflüsse von Sonne und Mond die allergeringsten sind. Was sich seit der lemurischen Zeit geltend gemacht hat, daß die Bestrahlung von außen einen so großen Einfluß gewonnen hat, das hat sich am geringsten erfüllt um den Nordpol herum, so daß also die Wirkung des Innern der Erde auf die Oberfläche und auf alles, was auf der Oberfläche lebt, am größten ist um den Nordpol herum.

Dagegen ist der Einfluß von Sonne und Mond am allerstärksten um den Äquator herum. Das war schon in den lemurischen Zeiten so. Aus der Akasha-Chronik können wir konstatieren, daß die Verhältnisse auf der Erde völlig neue geworden sind durch die Trennung von Sonne und Mond. Dadurch aber bildete sich auch eine ganz bestimmte Wirkung heraus. Es entstand etwas, was für die ganze Entwickelung der Erde von einer grundlegenden Bedeutung ist. Um den Nordpol herum war es gerade aus diesem Grunde dem Menschen am wenigsten möglich, können wir sagen, herunterzusteigen und sich in einer physischen Menschengestalt so zu inkarnieren, daß er in ihr seinen besten Ausdruck fand. Daher war in der alten lemurischen Zeit gerade am Nordpol der Erde die Versammlung derjenigen Wesenheiten, welche, wenn ich mich so ausdrücken darf, noch keinen Anspruch darauf machten, ganz tief auf die Erde herabzusteigen, denen es mehr zusagte, oben zu bleiben in den Regionen, wo die Luft mit Wasserdunst durchzogen war.

Wir haben also um den Nordpol herum in den lemurischen Zeiten eine Art Geistergeschlecht, das sich nicht viel kümmerte um die physischen Leiber, die da unten auf der Erde herumwimmelten, ein Geschlecht, das in geistiger Beziehung für ein heutiges Auge aus durchsichtigen und daher nicht eigentlich sichtbaren Gestalten bestand,

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die als solche hoch ausgebildet waren, aber in bezug auf ihre physischen Gestalten eine niedere Menschlichkeit zeigten. Sie lebten in einem Ätherleibe, sie waren mehr ätherische Wesenheiten und standen in einem losen Verhältnis zu den primitiven Leibern, die sich unten auf der Erde entwickelten und auch noch keine besondere Dichtigkeit hatten. Diese Leiber waren zu sehr von der Erde abhängig, und nur im geringsten Grade wurden sie von den geistig höherstehenden Wesenheiten als ihre Hüllen benutzt.

Wenn daher ein heutiger Mensch mit seinem sinniichen Anschauungsvermögen den Nordpol hätte besuchen können zur Zeit der Lemurier, so hätte er von der Bevölkerung dort sich etwa folgendes gesagt: Eine ganz merkwürdige Bevölkerung das! Die Leute sind eigentlich ganz unvollkommen ausgebildet in bezug auf ihre physischen Leiber, aber es muß damit doch etwas Besonderes zusammenhängen, denn die Bevölkerung ist geschickt, ist intelligent, es ist, wie wenn sie an Fäden von oben herab dirigiert würde!

Ja, so war es dort, weil der eigentliche Mensch nicht herunterstieg auf die Oberfläche der Erde. Deshalb waren damals die Menschen um den Nordpol im höchsten Grade ätherische Wesenheiten mit hoch ausgebildeten Ätherleibern, aber wenig entwickelten physischen Leibern, Wesenheiten, die sozusagen alle Weisheit der Welt wie durch hohe hellseherische Kräfte in ihren Ätherleibern sich vergegenwärtigen konnten, die da hinausschauten zum Sternenhimmel und begriffen, was für Wesenheiten in den Weltenweiten den Raum belebten. Aber schläfrig, möchte man fast sagen, waren ihre physischen Leiber. Dennoch, weil sie wie an Fäden von oben dirigiert wurden, verrichteten sie ganz intelligente Taten.

Dagegen war es in den äquatorialen Gegenden anders. Da wurde der Einfluß von Sonne und Mond von außen eben reger und immer reger. Die Luft wurde sozusagen von den Sonnenstrahlen durchsetzt, durchwärmt. Alle diejenigen Erscheinungen, die in der Luftregion sich abspielten, wurden abhängig von Sonne und Mond. Und die Folge war, daß in diesen Gegenden gerade im alten Lemurien die Menschen am tiefsten herunterstiegen in ihre physischen Leiber, daß da die ätherischen Leiber am tiefsten die physischen Leiber durchsetzten.

Wiederum würde ein heutiger Mensch mit sinnlichen Augen

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diese Wesen als die höchst entwickelten physischen Menschengestalten hinnehmen, während er die nördlichen Völkerschaften hinstellen würde als solche, die wenig entwickelt sind. Noch ein anderer Unterschied ergab sich, der besonders wesentlich ist.

Da, wo die Sonne den geringsten Einfluß hatte, entwickelten sich die Menschen so, daß sie im Grunde genommen über weite Gebiete hin einer wie der andere aussahen. Denn von denjenigen Wesenheiten, die da nicht herunterstiegen und noch ätherisch waren, von denen gehörte immer eine ätherische Wesenheit zu vielen da unten. Es waren Gruppenseelen da oben, während die Seelen um den Äquator herum viel mehr Individualseelen waren, viel mehr jede einzelne in ihrem Leibe war.

Also im denkbar höchsten Grade standen die Bewohner derjenigen Gegenden, die wir heute um den Nordpol herum sehen, in der lemurischen Zeit im Zeichen der Gruppenseelenhaftigkeit. Eine ganze Anzahl von Menschen sah hinauf zu ihrer Gruppenseele. Und wenn wir diese Gruppenseelen als Seelen betrachten, so waren sie viel höher entwickelt als die Seelen, die in der lemurischen Zeit in den Äquatorgegenden hineinzogen in die physischen Leiber.

Wir können also sagen: Um den Nordpol wohnte eine Bevölkerung, die wir eigentlich, wie in einer Art Paradies, in den Luftregionen zu suchen haben, die noch nicht heruntergestiegen war bis zur Erde. Was wir so begriffen haben als etwas, das wie eine notwendige Folge erscheint von dem, was wir früher schon kennengelernt haben, vergleichen Sie das jetzt mit dem, was Ihnen da oder dort in der theosophischen Literatur entgegentritt: daß jene höheren Wesenheiten, die einst die Lehrer der Menschheit waren, hinuntergestiegen sind aus einer kalten nördlichen Region! Wir haben sie jetzt förmlich gefunden, die Gruppenseelen um den Nordpol herum. Wollten sie Lehrer werden derer, die geringere Seelen waren und mehr in die physischen Leiber hineingingen, so mußten sie auch mehr hinuntersteigen und in ihrem Ätherleibe dem hellseherischen Vermögen der lemurischen Zeit entgegentreten, oder sie mußten eben durch ein Opfer die physische Menschengestalt der lemurischen Bevölkerung annehmen.

Wenn wir eine Reise gemacht hätten in der lemurischen Zeit vom

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Äquator nach dem Nordpol hin, so würden wir eine Vergeistigung der Erdenbevölkerung gefunden haben. Wir können in dieser Zeit gleichsam zwischen einer zweifachen Bevölkerung unterscheiden: einer noch geistig gebliebenen Art, der im Grunde ihre irdische Leiblichkeit nur wie ein Zusatz zu ihrer geistigen Wesenheit erschien und einer anderen, schon ins Materielle, ins Physische hinunter-gegangenen Bevölkerung.

Was wäre geschehen, wenn nun keine Ver­änderung innerhalb der Erdenentwickelung eingetreten wäre? Dann hätten überhaupt die besten der Seelen der polarischen Länder nicht hineinsteigen können in eine physische Körperlichkeit.

Und auf der anderen Seite wäre sozusagen die Bevölkerung um den Äquator herum mehr oder weniger dem Untergange verfallen. Weil sie zu früh in eine physische Leiblichkeit hinuntergestiegen war, verfiel sie ja gerade in jene Laster und Untugenden, die zum Untergange von Lemurien geführt haben. Und die Folge war, daß der beste Teil der Bevölkerung auswanderte in jene Gegenden, die zwischen dem Äquator und den nördlichen Ländern lagen. Denn in den lemurischen Zeiten haben wir die zukunftssichersten Glieder der Menschheit in den Zwischenländern zwischen dem Äquator und dem Nordpol. Gerade am besten entwickelten sich die Menschenleiber, die dann wieder Träger werden konnten der besten Menschenseelen, in jenen Gegenden der alten Atlantis, die in der heute sogenannten gemäßigten Zone lagen.

Nun bleiben von allen verschiedenen Entwickelungsstufen ja sozusagen Reste zurück, und auch von diesen alten Zeiten sind Reste zurückgeblieben. Zwar von dem, was wir die lemurische Bevölkerung der Erde nennen, jene eigentümliche Bevölkerung des Nordens, die stark entwickelte Ätherleiber und wenig entwickelte physische Leiber hatte, und jene andere äquatoriale Bevölkerung, die stark aus­gebildete physische Leiber und wenig entwickelte Ätherleiber hatte, von denen ist nichts zurückgeblieben, die sind untergegangen. Denn diese Leiber waren so, daß wir nicht einmal die Überreste finden können; die Substanz war noch so weich, daß von Überresten nicht die Rede sein kann.

Bei ihren Nachkommen in der Atlantis handelte es sich vorzugsweise darum, daß der Keim des Ichs, des Selbstbewußtseins,

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der ja im Grunde genommen schon von der alten lemurischen Zeit her veranlagt war, immer mehr und mehr herauskam, sich immer mehr auf der Erde entwickelte. Wären die Menschen nicht zu einem großen Teil hinübergezogen nach der Atlantis, so hätte es nicht zu einer regen Ich-Entwickelung kommen können. Denn die lemurische Bevölkerung wäre nach und nach untergegangen, sie hätte allen Leidenschaften verfallen müssen, und die besten Seelen des Nordens wären überhaupt nicht auf die Erde heruntergestiegen, denn sie hätten keine passenden Leiber finden können. Die unvollkommenen Leiber von früher hätten ihnen nicht die Möglichkeit bieten können, ein starkes Selbstgefühl innerhalb der Leiblichkeit zu entwickeln.

Dadurch, daß die besseren Teile der lemurischen Bevölke­rung nach Atlantis auswanderten, gestaltete sich der menschliche Leib zu einer solchen Form um, daß er der Träger des Selbstbewußtseins im richtigen Maße werden konnte. Und in den Gebieten der heutigen gemäßigten Zone erlangte der Menschenleib erst allmählich diese Form. Denn in diesen Entwickelungszeiten gestaltete sich der menschliche Leib noch immer um.

In der atlantischen Zeit war der menschliche Leib noch nicht wie heute in feste Formen gebannt, sondern es war noch so, daß geistig sehr bedeutende, hochentwickelte Menschen in der damaligen Zeit physisch klein waren, kleine Menschen waren. Dagegen hatte der, der geistig nicht sehr bedeutend war, in der atlantischen Zeit einen riesig entwickelten physischen Körper. Und man konnte, wenn man damals einem solchen Riesen begegnete, sich sagen: Der steht auf keiner sehr hohen Stufe der Geistigkeit, denn der ist mit seiner ganzen Wesenheit in den Leib hineingerannt!

Alles, was in den Sagen von den «Riesen» enthalten ist, beruht durchaus auf Erkenntnis der Wahrheit. Wenn daher in den germanischen Sagen eine wirkliche Erinnerung an jene Zeiten erhalten ist, so empfinden wir es vom geisteswissenschaftlichen Standpunkt aus als etwas durchaus Richtiges, daß die Riesen dumm sind und daß die Zwerge eigentlich sehr gescheit sind. Das beruht durchaus darauf, daß man von der atlantischen Bevölkerung sagen konnte: Da sind kleine Leute, da ist eine große Intelligenz zu Hause; dort hingegen ist ein großer Menschenschlag, und die sind alle dumm!

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Wo die menschliche Intelligenz ins Fleisch gegangen war, da war geistig nicht sehr viel zurückgeblieben. So daß physische Größe der Ausdruck dafür war, daß die Geistigkeit nicht zurückbehalten werden konnte. Es war der Körper in gewisser Weise damals noch durchaus verwandlungsfähig. Gerade in der Zeit, als die Atlantis anfing unterzugehen, da war ein großer Unterschied zwischen den Menschen, die gut waren in ihren seelischen Eigenschaften und die ein kleiner Menschenschlag waren gegenüber den Riesengestalten, welche lasterhaft waren, bei denen alles ins Fleisch gegangen war. Sogar in der Bibel könnten Sie noch Nachklänge dieser Tatsache finden, wenn Sie sie suchen wollten. Also wir sehen, wie der menschliche Leib in der atlantischen Zeit sich noch gestalten konnte nach den geistigen Eigenschaften. Daher konnte er auch die Gestalt annehmen, die ihn befähigte, alle Organe, der Herz, das Gehirn und so weiter, so zu bauen, daß sie der Aus­druck wurden für ein eigentliches Ich-Wesen, für ein selbstbewußtes Wesen.

Nun aber entwickelten sich diese Fähigkeiten und auch diese Eigenschaften in den mannigfaltigsten Graden. Es gab Menschen, die gerade recht waren in bezug auf ihre Innerlichkeit, gerade normal, die den Egoismus nicht auf eine zu starke Höhe gebracht und auch das Ich-Gefühl nicht nur auf eine niedere Art ausgebildet hatten. Bei ihnen hielten sich die Hingabe an die Außenwelt und das Ich-Gefühl die Waage. Solche Leute waren überall verstreut. Das waren aber diejenigen, mit denen die atlantischen Eingeweihten am meisten machen konnten.

Dagegen gab es andere Menschen, bei denen ein furchtbar starkes Ich-Gefühl ausgebildet war, viel zu früh natürlich; denn die Menschen waren noch nicht so weit, daß sie in ihrem Körper ein Instrument bilden konnten für ein stark ausgebildetes Ich-Gefühl. Der Körper wurde dadurch sozusagen in Egoität ver­härtet, es war ihm unmöglich, sich über einen gewissen Grad hinaus zu entwickeln.

Andere Völker wieder waren nicht bis zu einem ge­wissen normalen Ich-Gefühl gekommen, weil sie in einem höheren Grade von der Außenwelt beeinflußbar waren, als sie es hätten sein sollen, Völker, die ganz hingegeben waren an die Außenwelt. Also die Normalmenschen waren für die Eingeweihten am besten zu brauchen

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als Material für die Zukunftsentwickelung, und sie waren auch diejenigen, welche der große Sonnen-Eingeweihte, der Manu, um sich sammelte als das entwickelungsfähigste Volk.

Bis in die körperlichen Eigenschaften hinein tritt das zutage, wenn man die Dinge wirklich geisteswissenschaftlich betrachtet. Wenn der Mensch sein Inneres ganz ausprägt in seiner Physiognomie, in seiner Körperoberfläche, dann durchdringt das gleichsam mit der Farbe der Innerlichkeit sein Äußeres. Die Farbe der Egoität ist aber die rote, die kupferrote oder auch die gelblichbraune Farbe. Daher kann tatsächlich eine zu starke Egoität, die von irgendeinem gekränkten Ehrgefühl herrührt, auch heute noch den Menschen von innen heraus sozusagen gelb vor Ärger machen. Das sind Erscheinungen, die durchaus miteinander zusammenhängen: die Kupferfarbe derjenigen Völker, die nach Westen hinübergewandert waren, und das Gelb bei dem Menschen, dem die «Galle überläuft», wie man sagt, dessen Inneres sich daher bis in seine Haut ausprägt.

Diejenigen Menschen aber, die ihre Ich-Wesenheit zu schwach entwickelt hatten, die den Sonneneinwirkungen zu sehr ausgesetzt waren, sie waren wie Pflanzen: sie setzten unter ihrer Haut zuviel kohlenstoffartige Bestandteile ab und wurden schwarz. Daher sind die Neger schwarz.

So haben wir auf der einen Seite östlich von Atlantis in der schwarzen Negerbevölkerung, auf der andern Seite westlich von Atlantis in den kupferroten Völkern Überreste von solchen Menschen, die nicht in einem normalen Maße das Ich-Gefühl entwickelt hatten. Mit den Normalmenschen war am meisten zu machen. Sie wurden daher auch dazu ausersehen, von dem bekannten Orte in Asien aus die verschiedenen anderen Gebiete zu durchsetzen.

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Nun gab es natürlich von jenem kleinen Häuflein, das der Manu um sich versammelte, bis zu den Extremen wieder die allerverschle­densten Zwischengrade in bezug auf diese Entwickelung. Die kamen natürlich auch zur Geltung. Diese Zwischengrade waren zum Teil außerordentlich geeignet für die Weiterentwickelung der Kultur der Erde.

So zum Beispiel blieb bei dem Zug von dem Westen nach dem Osten in den europäischen Gegenden eine Bevölkerung zurück, die in starkem Maße das Ich-Gefühl ausgebildet hatte, aber zu gleicher Zeit wenig beeinflußbar war durch die Umgebung. Denken Sie sich, was gerade in Europa für eine eigenartige Mischung herauskommen mußte. Diejenigen, die nach dem Osten hinüberwanderten und die schwarze Bevölkerung wurden, waren stark beeinflußbar durch die Außenwelt, besonders für die Sonnenwirkung, gerade weil sie ein geringes Ich-Gefühl hatten. Nun aber wanderten in dieselben Gegenden, wenigstens in dieser Richtung, Völkerschaften, die ein starkes Ich-Gefühl hatten. Das ist eine Bevölkerung, die sozusagen die östliche Richtung der westlichen vorgezogen hatte. Diese hat gemildert die kupferrote Farbe, welche sie bekommen hätte, wenn sie nach Westen gezogen wäre. Und aus ihr entsprang jene Bevölkerung, die ein starkes Ich-Gefühl hatte, das sich die Waagschale hielt mit dem Hingegebensein an die Außenwelt. Das ist die Bevölkerung Europas, von der wir im letzten öffentlichen Vortrag sagen konnten, daß das starke Persönhchkeitsgefühl von Anfang an bei ihr das Wesentliche war.

So sehen wir, wie beim Menschen das Äußere auf die innerlichen Verhältnisse wirkt und wie die Erde durch die verschiedenen Lagen, in der ihre Oberflächenteile der Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind, die Veranlassung gab für die verschiedensten Grade der Seelenentwickelung. Je nachdem, wo sich die Seelen damals hinwandten, fanden sie die verschiedensten Möglichkeiten, um ihre Entwickelung im physischen Leibe durchzumachen. Das ist sehr bedeutsam, daß wir den Zusammenhang zwischen der Sonneneinwirkung auf die Erde und der Menschheitsentwickelung einmal ins Auge fassen. Wenn Sie gerade diese Dinge einmal mit mir weiter verfolgen werden, bis in Einzelheiten der späteren Zeiten hinein, dann werden Sie sehen, wie vieles auch in den späteren Zeiten dadurch erklärlich wird, daß die

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verschiedensten Schattierungen aufgetreten sind.

So zum Beispiel haben wir den in Europa gebliebenen Teil der Bevölkerung, der so war, wie ich es eben beschrieben habe, und der bis in spätere Zeiten auf sich angewiesen war. Er kümmerte sich nicht um andere, aber der Teil, der sich dann hinüberwandte von dieser Bevölkerung in die Gegenden, die schon besiedelt waren von der in den verschiedensten Graden dunkel gewordenen Bevölkerung, der sich dann mit dieser vermischte, der hatte nun auch alle möglichen Grade der anderen Hautfarbe. Sehen Sie sich diese Farben an, von den Negern angefangen bis zu der gelben Bevölkerung hin, die in Asien zu finden ist. Daher haben Sie dort Leiber, die wiederum Hüllen der verschiedensten Seelen sind, von der ganz passiven Negerseele angefangen, die völlig der Umgebung, der äußeren Physis hingegeben ist, bis zu den anderen Stufen der passiven Seelen in den verschiedensten Gegenden Asiens.

Mancherlei von der Entwickelung asiatischer und afrikanischer Völkerschaften wird Ihnen jetzt in ihren Eigentümlichkeiten begreiflich sein: sie stellen Mischungen dar von Hingegebensein an die Umgebung und äußerlich ausgeprägtem Ich-Gefühl. So daß wir im Grunde genommen zwei Gruppen von Bevölkerungen haben, welche die verschiedenen Mischungsverhältnisse darstellen:

Das ist der Grundunterschied

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zwischen der europäischen und der asiatischen Bevölkerung.

Mitten hineingekeilt war der Manu mit seinen Normalmenschen. Jeder einzelnen Schattierung dieser Bevölkerung mußte er die richtige Kultur geben. Da hatte er die Weistümer und Lehren so zu schattieren, wie es den äußeren Verhältnissen der Bevölkerung an­gemessen war. Und so sehen wir, wie der Bevölkerung in Asien eine Lehre gegeben wird, die dazu bestimmt ist, sie in ihrer Passivität, in ihrem Hingegebensein zu befriedigen. Nicht das «Ich» betont diese asiatisch-afrikanische Bevölkerung. Der Neger würde zum Teil ganz und gar nicht das Ich betonen. Blickte diese Bevölkerung zum Göttlichen auf, so sagte sie: Ich finde das innerste Wesen von mir selber nicht in mir, sondern ich finde es in Brahman, indem ich aus mir ausfließe, indem ich mich hingebe an das Universum!

Eine solche Lehre hätte man in Europa nicht verstanden. Europa war dazu viel zu sehr gegen den Nordpol zu gelagert, und eine gewisse Ähnlichkeit bleibt schon den Ländern, auch durch die verschiedenen Zeiten hindurch. Erinnern wir uns, daß wir ja um den Nordpol einst die Bevölkerung gefunden hatten, die nicht hinunterstieg bis in die physischen Leiber, deren physische Leiber gewisser­maßen sogar verkümmert waren. Ja, die Bevölkerung Europas stieg jetzt noch nicht ganz in ihre physischen Leiber hinunter. Sie ver­innerlichten sich ihr Persönlichkeitsgefühl. Und das würden wir finden, je weiter wir zurückgehen in die alten Zeiten Europas. Denken Sie sich, wie sich dieses verinnerlichte Persönlichkeitsgefühl noch erhalten hat bis in spätere Zeiten hinein, als man vielleicht schon gar nicht mehr den Grund dafür einsah. Jemand, der dem Osten angehört hätte, würde gesagt haben: Ich vereinige mich mit dem einen, dem allumfassenden Brahman! Du vereinigst dich mit Brahman! Der andere vereinigt sich mit Brahman, der fünfzigste, der hundertste, sie alle vereinigten sich mit dem einen Brahman!

Womit vereinigte sich der Europäer, wenn er es anerkennen mußte als etwas, was in seiner Anschauung galt? Da vereinigte er sich mit der einen Walküre, mit der einen höheren Seele. Und es ist sozusagen für jeden die Walküre da im Moment des Todes. Da ist alles individuell,

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da ist alles persönlich.

Und an der Grenze der beiden Gebiete, da nur konnte so etwas entstehen wie die Moses-Christus-Religion. Mitten drinnen, zwischen Orient und Okzident, da nur konnte sie hineinfallen. Und während sie keine Wurzel fassen konnte nach dem Osten hinüber, wo die Gottesvorstellung ja vorhanden war als eine einheitliche, aber auf einer vorhergehenden Stufe, konnte sie sich durchsetzen als eine Vorstellung des persönlichen Gottes, der der Jahve schon ist und der der Christus ist, bei denjenigen Völkern, die selbst schon das Persönlichkeitsgefühl in sich trugen. Daher verbreitete sie sich nach dem Westen hinüber, und wir sehen, wie sie hier als die Vorstellung von dem persönlich gedachten Gotte auf ein Verständnis stoßen konnte. Deshalb sehen wir sie fast wie eine Not­wendigkeit gerade in diesem Gürtel so werden. Das Persönlichkeitsgefühl war da, aber es war noch innerlich, geistig, so wie bei den alten Lemuriern noch alles geistig und das Körperliche wenig entwickelt war. Hier war nun zwar das Körperliche entwickelt, aber das Persönliche, worauf der Mensch den größten Wert legte, war innerlich; und durch das Innerliche wollte er auch das Äußerliche erobern. Man verstand daher auch dort den Gott am besten, der mit seiner Äußerlichkeit am meisten Innerlichkeit hatte, den Christus. In Europa war alles vorbereitet für den Christus. Und weil das Gebiete waren, wo die Menschen früher noch nicht völlig heruntergestiegen waren auf den irdischen Schauplatz und daher noch so etwas vorhanden war wie letzte Reste einer geistigen Wahrnehmung, so war auch etwas zurückgeblieben von dem Sehen von geistigen Wesenheiten, vom alten europäischen Hellsehen.

Dieses alte europäische Hellsehen hatte auch dazu geführt, daß durch Europa hindurch, auch noch nach Asien hinein, eine uralte Gottesvorstellung vorhanden war, von der die heutige Gelehrsamkeit vielleicht erst dann etwas wissen wird, wenn sie sie in den Sagen einzelner entlegener Gebiete Sibiriens entdecken wird. Da taucht nämlich eine merkwürdige Bezeichnung auf, lange vor der christlichen Entwickelung, als nichts gewußt wurde von dem, was da unten geschah, also von dem, was im Alten Testament beschrieben ist, was griechisch-römische Entwickelung, was orientalische Entwickelung

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ist.

Es taucht da eine merkwürdige Vorstellung auf, die etwa zu dem Namen führte, der jetzt ziemlich verklungen ist: der «Ongod»; und der Ongod ist ein Name, der sozusagen heute in der Vorstellung von dem «einen Gotte» noch nachklingt. Der Ongod würde etwa so etwas sein wie das Göttliche in allen geistigen Wesenheiten, die wir wahrnehmen. So war auch nach dieser Richtung hin die eine persönliche Gottesvorstellung etwas durchaus Vertrautes für die Bevölkerung, welche gerade diesen Gürtel der Erde bewohnt hat. Daher können wir es verstehen, daß gerade in diesem Gürtel der Erde auch diese Anschauung ihre wesentlichsten Früchte trug. Denn es hatte sozusagen dieser Gürtel der Erde mit seiner Bevölkerung das Geheimnis vom Ich gelöst.

Es beruht im Grunde genommen alle Entwickelung seit der atlantischen Zeit darauf, daß entweder Bevölkerungsteile das Ich-Gefühl sich gerade im richtigen Verhältnis erhalten oder daß sie das Ich zu stark oder zu schwach entwickelt hatten. Aus allen Völkern, die das Ich in irgendeinem Grade zu stark oder zu schwach entwickelt hatten, konnte nichts Besonderes werden. In einem eigenartigen Verhältnis hatten es die Völker entwickelt, die eben beschrieben worden sind als die Bevölkerung Vorderasiens und auch noch die Völker gewisser Gebiete von Afrika und vorzugsweise Europas.

Das waren die Grundbedingungen für die spätere Kultur, die sich etwa seit unserer Zeitrechnung entwickelt hat. Es mußte das Ich sozusagen bis zu einer gewissen Entwickelung kommen, dann aber nicht zuviel nach der einen oder anderen Seite tun. Und unsere Aufgabe ist es heute, dies gerade in dem richtigen Sinn zu begreifen. Denn in einer gewissen Beziehung muß alle Geisteswissenschaft appellieren an das, was man nennt: Entwickelung eines höheren Ichs aus dem niederen Ich heraus. Wenn wir jetzt in die Zeiten zurückschauen, können wir sagen: Daran, daß gewisse Bevölkerungsteile der Erde nicht die Möglichkeit gefunden haben, richtig mit der Erdenentwickelung Schritt zu halten in der Herausentwickelung ihres Ichs, daran können wir uns die Lehre nehmen, wieviel verfehlt werden kann in bezug auf die Entwickelung des höheren Ichs aus dem niederen Ich.

Da gab es zum Beispiel in der alten Atlantis

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Völker, die dann zu Indianern geworden sind, die sich sozusagen verloren haben von der Erdenbevölkerung. Was hätten sie gesagt, wenn sie das, was bei ihnen Tatsache der Entwickelung war, hätten aussprechen können? Sie würden gesagt haben: Ich will vor allem mein Inneres entwickeln, mein Inneres, was mein Höchstes ist, wenn ich in mich hineinschaue! - Und sie haben dieses Ich so stark ent­wickelt, daß es bei ihnen bis in die Hautfarbe gegangen ist: sie wurden eben kupferrot. Sie haben sich in der Dekadenz entwickelt. Das sind die, welche in der atlantischen Bevölkerung, wo noch alles ins Fleisch und in die Haut ging, etwas pflegten, was man nennen könnte «das Hineinbrüten in das Ich», die sozusagen die Überzeugung hatten: Ich finde alles, was zu entwickeln ist, in mir selber!

Das andere Extrem waren die, welche da sagten : Ach, das Ich ist nichts wert! Das Ich muß sich selber ganz verlieren, muß ganz und gar aufgehen, muß sich alles sagen lassen von außen! - In Wirklichkeit haben sie es nicht gesagt, denn sie reflektierten ja nicht so. Aber das sind die, welche so ihr Ich verleugnet haben, daß sie schwarz davon wurden, weil die äußeren Kräfte, die von der Sonne auf die Erde kommen, sie eben schwarz machten.

Nur diejenigen, welche imstande waren, die Balance zu halten in bezug auf ihr Ich, das waren die, welche sich in die Zukunft hinein entwickeln konnten.

Schauen wir jetzt auf die Bevölkerung unserer Erde. Da gibt es heute noch Menschen, die da sagen: Ach, die Anthroposophen reden von einer geistigen Welt, die sie in sich selber suchen. Wir aber blicken auf unsere guten, alten, uns von außen überkommenen religiösen Überlieferungen. Wir bauen auf das, was uns von außen zukommt, und kümmern uns nicht viel um eine höhere Welt! - Heute ist natürlich alles geistiger, als es in der Atlantis war. Heute wird man nicht mehr schwarz davon, wenn man bloß auf Traditionen baut, wenn man sagt: Es werden schon diejenigen für uns sorgen, denen unser Seelenheil anvertraut ist, die um uns herum wirken, und die eben angestellt sind, um unsere Seelen in den Himmel zu bringen! - Heute wird man nicht mehr schwarz davon. Aber wir wollen nicht alles in Abrede stellen : Es gibt auch heute noch Gegenden Europas, in denen gesagt wird, man werde von einer solchen Gesinnung

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«schwarz»! Heute ist eben alles geistiger! Das also sind die einen.

Die anderen sind die, welche ohne sich erst einzulassen auf das, was uns die Geisteswissenschaft in allen Einzelheiten zu bringen vermag - die Forschungen aus der Akasha-Chronik, das Wesen von Reinkarnation und Karma, die Prinzipien über das Wesen des Menschen und so weiter, und wozu man sich anstrengen muß, um es zu verstehen -, sie sind solche, die zu bequem sind und sagen: Wozu brauche ich das alles! Ich gucke in mein Inneres hinein, das ist mein höheres Ich, da ist der Gottmensch in mir! - Solche Gesinnung entwickelt sich ja sehr häufig sogar auf dem Boden der Theosophie. Da will man nichts lernen, sich nicht wirklich entwickeln und warten, bis das Ich alle einzelnen Gestaltungen umfaßt hat, sondern man läuft herum und wartet, bis der Gottmensch aus einem spricht, und immer wieder wird das höhere Ich betont. Ja, es gibt sogar eine gewisse Literatur, die da sagt: Ihr braucht gar nicht zu lernen! Laßt nur den Gottmenschen aus euch sprechen! - Heute, wo alles geistiger ist, wird man nicht mehr kupferrot davon. Aber man verfällt einem ähnlichen Schicksal wie die Bevölkerung, die nur immer auf ihr Ich gepocht hat.

Das ist es, was wir brauchen: Gerade ein sich in Bewegung erhaltendes Ich, das sich nicht verlieren darf in der äußeren physischen Beobachtung, im äußeren physischen Erleben, das aber auch nicht auf einem Punkt stehenbleibt, sondern wirklich zu den geistigen Ge­staltungen vorrückt. Deshalb haben uns die großen Meister der Weisheit und des Zusammenklangs der Empfindungen nicht von Anfang an in der theosophischen Bewegung etwa gesagt: Laßt den Gottmenschen aus euch sprechen! - sondern sie haben uns ganz bestimmte Impulse gegeben, die Weistümer der Welt in allen Einzelheiten zu finden. Und wir sind nicht Schüler der großen Meister, wenn wir den Gottmenschen nur aus uns sprechen lassen wollen, oder wenn wir meinen, daß jeder einzelne seinen Meister in sich selber trägt, sondern wenn wir kennenlernen wollen die Gestaltung der Welt in allen ihren Einzelheiten. Geisteswissenschaftliche Entwickelung ist: das Wissen anstreben über alle Intimitäten des Weltengeschehens. Dann erreichen wir unser höheres Ich, wenn wir von Stufe zu Stufe in der Entwickelung

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hinaufsteigen. Draußen ausgeprägt in den Wundern der Welt ist unser Ich. Denn wir sind aus der Welt herausgeboren und wollen uns wiederum in diese Welt hineinleben.

So sehen wir, wie die heutigen Zustände, denen der Mensch verfallen kann, nur sozusagen neuere, geistigere Ausgestaltungen dessen sind, was uns in der atlantischen Zeit schon entgegengetreten ist. Da gab es auch schon diese drei Teile unter den Menschen:

Wir müssen wirklich aus dem, was sich uns an diesen Vorgängen der Erdenentwickelung zeigt, für uns die rechte Lehre nehmen. Dann werden wir gerade innerhalb der anthroposophischen Bewegung den richtigen Impuls finden können. Das, was geschieht, ist immer schon in einer gewissen Weise geschehen, aber es geschieht wieder in immer neuen Formen. Dadurch ist die anthroposophische Bewegung etwas so Großes und Bedeutungsvolles, daß sie etwas, was sichtbarlich sich entwickelt hat in der Atlantis, nun in den Erdgebieten mehr unsichtbar weiter entwickelt. So eilt der Mensch von der Kultur des Sichtbaren einer Kulturepoche des Unsichtbaren und immer Unsichtbareren entgegen.