Ausgewählte Zyklen und Vorträge aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners

 

Rudolf Steiner (1861-1925):

GA 107 Geisteswissenschaftliche Menschenkunde

16. Vortrag Berlin, 22. März 1909

Luziferische, ahrimanische und asurische Widersachermächte und ihre Wirkungen auf den Menschen im Laufe der Geschichte.

Uns soll heute hier die Frage beschäftigen, was der Mensch der Gegenwart eigentlich an der Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, hat; und zwar wollen wir diese Frage heute beantworten auf Grund von so mancherlei, was wir im Laufe der Vorträge, namentlich des letzten Winters, kennengelernt haben.

Zunächst könnte es ja dem Menschen erscheinen, als ob diese Geisteswissenschaft eine Weltanschauung wäre wie andere Weltanschauungen in der Gegenwart. Man könnte meinen: Die Rätsel des Daseins sind vorhanden; die Menschen versuchen mit den verschiedensten Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, auf religiösen, auf wissenschaftlichen Wegen diese Rätsel des Daseins zu beantworten, oder, wie man sagt, ihren Erkenntnisdrang, ihre Wißbegierde suchen die Menschen dadurch zu befriedigen. Man könnte nun diese Geisteswissenschaft ebenso hinstellen wie andere Weltanschauungen der Gegenwart, nennen sie sich nun Materialismus, Monismus, Spiritualismus, Idealismus, Realismus und so weiter, man könnte sie hinstellen wie andere Weltanschauungen der Gegenwart, als etwas, was die bloße Wißbegierde befriedigen soll.

So ist es aber nicht. Sondern in dem, was der Mensch sich durch diese Geisteswissenschaft erwirbt, hat er ein positives, fortwirkendes Lebensgut, das nicht nur seine Gedanken, sein Erkenntnisbedürfnis befriedigt, sondern das ein realer Faktor im Leben selber ist. Wollen wir dies verstehen, dann müssen wir heute etwas weiter ausholen. Wir müssen einmal von einem ganz bestimmten Gesichtspunkt aus den Entwickelungsgang der Menschheit vor unsere Seele stellen. Wir haben es schon oft getan. Heute aber wollen wir es wiederum von einem anderen Gesichtspunkte aus tun.

Wir haben öfters zurückgeblickt in die Zeiten, die der großen atlantischen Flut vorangegangen sind, in denen unsere Vorfahren, das heißt unsere eigenen Seelen, in den Vorfahrenieibern auf dem alten atlantischen Kontinent gelebt haben zwischen Europa, Afrika und Amerika. Und wir haben zurückgeblickt auf jene noch älteren

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Zeiten, die wir als die lemurischen Zeiten bezeichnen, in denen die Menschenseelen, die jetzt verkörpert sind, auf viel niedrigerer Stufe des Daseins standen als heute. Auf diesen Zeitraum wollen wir heute noch einmal zurückkommen. Wir wollen uns zunächst sagen: Der Mensch hat seine heutige Stufe des Empfindungslebens, des Willenslebens, der Intelligenz, ja seine heutige Gestalt dadurch errungen, daß im Erdendasein mitgewirkt haben diejenigen geistigen Wesenheiten, die höher stehen im Weltenall als der Mensch. Welche geistigen Wesenheiten da beteiligt sind, haben wir ja öfters auseinandergesetzt. Wir haben gesprochen von den Geistern, die wir die Throne nennen, die Geister der Weisheit, Geister der Bewegung, der Form, der Persönlichkeit und so weiter.

Das sind die großen Werk- und Baumeister des Daseins, das sind diejenigen Wesenheiten, die Schritt für Schritt unser Menschen­geschlecht vorwärtsgebracht haben bis zu unserem heutigen Standpunkt des Daseins. Nun müssen wir uns heute einmal recht deutlich vor die Seele führen, daß andere Geister und andere Wesenheiten noch eingegriffen haben als diejenigen, welche die menschliche Entwickelung vorwärtsbringen. Es haben in einer gewissen Weise geistige Wesenheiten eingegriffen, die feindlich gegenüberstehen den vorwärtsschreitenden geistigen Mächten. Und wir können für jeden dieser Zeiträume, sowohl für das lemurische wie auch für das atlantische Zeitalter, wie auch für unsere nachatlantische Zeit, in der wir leben, angeben, welche geistigen Wesenheiten sozusagen die Hemmungen gebracht haben, welche geistigen Wesenheiten feindlich gegenübertraten denjenigen, die die Menschheit bloß vorwärtsbringen wollen.

Im lemurischen Zeitalter, in dem ersten, das uns heute beschäftigt in dem Erdensein, haben in die menschliche Entwickelung die luzi­ferischen Wesenheiten eingegriffen. Sie stellen sich in einer gewissen Beziehung feindlich gegenüber denjenigen Mächten, die dazumal den Menschen bloß vorwärtsbringen wollten.

In dem atlantischen Zeitalter stellten sich feindlich den vorwärtsschreitenden Mächten die Geister gegenüber, die wir als die Geister des Ahriman oder auch des Mephistopheles bezeichnen. Ahrimanische Geister, mephistophelische Geister, das sind diejenigen, die eigentlich, wenn man die Namen

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genau nimmt, in der mittelalterlichen Anschauung die Geister des Satans genannt wurden, der nicht zu verwechseln ist mit Luzifer.

In unserem Zeitalter werden nach und nach noch andere geistige Wesenheiten hemmend den vorwärtsschreitenden in den Weg treten. Von ihnen werden wir nachher zu sprechen haben.

Wir werden uns jetzt zuerst fragen, was eigentlich diese luziferischen Geister im alten lemurischen Zeitalter bewirkt haben. Wir wollen heute von einem ganz bestimmten Gesichtspunkte aus das alles ins Auge fassen. Wo haben denn eigentlich die luziferischen Geister eingegriffen im alten lemurischen Zeitalter? Sie verstehen am besten, um was es sich dabei handelt, wenn Sie noch einmal den Blick zurückschweifen lassen, wie der Mensch sich entwickelt hat.

Aber wenn der Mensch auch durch die Geister der Form ein selbständiges Wesen geworden wäre gegenüber der Außenwelt, gegenüber dem, was ihn auf der Erde umgibt, er würde durch diese Geister der Form niemals ein selbständiges Wesen ihnen selbst gegenüber geworden sein; er ware von ihnen abhängig geblieben, er wäre an Fäden von ihnen gelenkt und geleitet worden. Daß das nicht eingetreten ist, das ist die in gewisser Beziehung sogar wohltätige Wirkung der Tatsache, daß sich in der lemurischen Zeit die luziferischen Wesenheiten entgegengestellt haben den Geistern der Form. Diese luziferischen Wesenheiten haben dem Menschen die Anwartschaft auf seine Freiheit gegeben. Allerdings haben sie dem Menschen damit auch die Möglichkeit des Bösen gegeben, die Möglichkeit des Verfalls in sinnliche Leidenschaften und Begierden.

In was haben denn eigentlich diese luziferischen Geister eingegriffen?

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Sie haben eingegriffen in das, was da war, und zwar in dasjenige, was zuletzt dem Menschen gegeben worden ist, in den astralischen Leib, was damals in gewisser Beziehung des Menschen Innerstes war. Darin haben sie sich festgesetzt, davon haben sie Besitz ergriffen. Von diesem astralischen Leib hätten sonst, wenn die luziferischen Wesenheiten nicht gekommen wären, nur Besitz ergriffen die Geister der Form. Sie hätten diesem astralischen Leib jene Kräfte eingeprägt, die dem Menschen das Menschenantlitz geben, die den Menschen eben zum Ebenbild der Götter, der Geister der Form machten. Das alles wäre aus dem Menschen geworden, aber der Mensch wäre abhängig geblieben von diesen Geistern der Form zeit seines Lebens, durch alle Ewigkeiten.

Nun haben sich gleichsam hineingeschlichen die luziferischen Wesenheiten in den astralischen Leib, so daß jetzt zwei Arten von Wesenheiten in dem astralischen Leib wirkten: diejenigen Wesenheiten, die den Menschen vorwärtstreiben, und diejenigen Wesen­heiten, die den Menschen in diesem rückhaltlosen Vorwärtstreiben allerdings hemmen, dafür aber seine Selbständigkeit zu einer inner­lich gefestigten machten. Wären die luziferischen Wesenheiten nicht gekommen, so wäre der Mensch im Stande der Unschuld und Reinheit in seinem astralischen Leib geblieben. Keine Leidenschaften wären in ihm aufgetreten, die ihn hätten begehren lassen, was er auf der Erde allein finden kann. Sozusagen dichter, niedriger haben die luziferischen Wesenheiten die Leidenschaften, Triebe und Begierden gemacht. Der Mensch wäre sonst so geblieben, wenn die luziferischen Wesenheiten nicht gekommen wären, daß er sich immerfort gesehnt hätte hinauf zu seiner Heimat, zu den geistigen Reichen, von denen er heruntergestiegen ist. Er hätte nicht Gefallen gefunden an dem, was ihn auf der Erde umgibt, er hätte unmöglich Interesse finden können an den irdischen Eindrücken. Zu diesem Interesse, zu diesem Begehren der irdischen Eindrücke ist er durch die luziferischen Geister gekommen. Sie haben ihn in die irdische Sphäre dadurch hineingedrängt, daß sie sein Innerstes, seinen astralischen Leib, durchsetzt haben.

Wodurch ist es denn nun gekommen, daß in jener Zeit der Mensch nicht ganz abfiel von den Geistern der Form oder überhaupt von den höheren

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geistigen Reichen? Wodurch ist es gekommen, daß der Mensch nicht in seine Interessen und Begierden der sinnlichen Welt vollständig verfiel?

Das ist dadurch gekommen, daß die Geister, die den Menschen vorwärtsbringen, ihre Gegenmittel ergriffen. Sie haben ihre Gegenmittel in der Art ergriffen, daß sie die menschliche Wesenheit mit etwas durchsetzt haben, was sonst nicht in dieser menschlichen Wesenheit wäre, sie haben sie durchsetzt mit Krankheit und Leiden und Schmerzen. Das ist das notwendige Gegengewicht geworden gegen die Taten der luziferischen Geister.

Die luziferischen Geister haben dem Menschen die sinnliche Begierde gegeben; die höheren Wesenheiten haben ihre Gegenmittel ergriffen in dem Sinne, daß der Mensch nunmehr nicht unbedingt dieser Sinneswelt verfallen konnte, indem sie ins Gefolge der sinn­lichen Begierden und sinnlichen Interessen Krankheit und Leiden gesetzt haben, so daß in der Welt genau ebenso viele Leiden und Schmerzen sind wie bloßes Interesse für die physische, sinnliche Welt. Beide halten sich vollständig das Gleichgewicht, von keinem ist mehr in der Welt vorhanden: ebenso viele sinnliche Begierden, ebenso viele sinnliche Leidenschaften wie Krankheit und Schmerzen. Das war die gegenseitige Aufeinanderwirkung der luziferischen Geister und der Geister der Form im lemurischen Zeitalter. Wären diese luziferischen Geister nicht gekommen, dann würde der Mensch nicht so früh in die irdische Sphäre hinuntergestiegen sein. Seine Leidenschaft, seine Begierde für die sinnliche Welt hat es auch gemacht, daß er früher seine Augen aufgeschlossen erhalten hat, daß er früher den ganzen Umkreis des sinnlichen Daseins hat sehen können.

Der Mensch hätte, wenn es regelmäßig nach den fortschreitenden Geistern gegangen wäre, erst von der Mitte der atlantischen Zeit an die Umwelt gesehen. Aber er hätte sie dann geistig gesehen, nicht so wie heute, er hätte sie so gesehen, daß sie ihm überall der Ausdruck von geistigen Wesenheiten gewesen wäre. Dadurch, daß der Mensch verfrüht herunterversetzt worden ist in die irdische Sphäre, daß ihn seine irdischen Interessen und Begierden heruntergedrängt haben, dadurch kam es anders, wie es sonst gekommen wäre in der Mitte der atlantischen Zeit.

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Dadurch haben sich hineingemischt in das, was der Mensch hat sehen und begreifen können, die ahrimanischen Geister, diejenigen Geister, die eben auch mit dem Namen mephistophelische Geister bezeichnet werden können. Dadurch verfiel der Mensch in Irrtum, verfiel in das, was man eigentlich erst die bewußte Sünde nennen könnte. Also von der Mitte der atlantischen Zeit an wirkt auf den Menschen die Schar der ahrimanischen Geister ein.

Wozu hat nun diese Schar der ahrimanischen Geister sozusagen den Menschen verführt? Sie hat ihn dazu verführt, daß er das, was in seiner Umgebung ist, für stofflich, für materiell hält, daß er nicht durch dieses Stoffliche hindurchsieht auf die wahren Untergründe des Stofflichen, auf das Geistige. Würde der Mensch in jedem Stein, in jeder Pflanze und in jedem Tier das Geistige sehen, er würde niemals verfallen sein in Irrtum und damit in das Böse, sondern der Mensch würde, wenn nur die fortschreitenden Geister auf ihn gewirkt hätten, bewahrt geblieben sein vor jenen Illusionen, denen er immer verfallen muß, wenn er nur auf die Aussage der Sinneswelt baut.

Was haben nun dagegen diejenigen geistigen Wesenheiten, welche den Menschen in seinem Fortschreiten erhalten wollen, gegen diese Verführung, gegen Irrtum und Illusion aus dem Sinnlichen unternommen? Sie haben dagegen unternommen, daß der Mensch tatsächlich nunmehr erst mit Recht - natürlich ist das langsam und allmählich gekommen, aber hier liegen die Kräfte, warum das gekommen ist - sozusagen in die Lage versetzt wird, aus der sinnlichen Welt heraus wiederum die Möglichkeit zu gewinnen, über Irrtum und Sünde und das Böse hinwegzukommen, das heißt, sie haben dem Menschen die Möglichkeit gegeben, sein Karma zu tragen und auszuwirken.

Denn was wäre geschehen, wenn der Mensch nur dem

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Bösen, dem Irrtum verfallen wäre? Dann würde der Mensch nach und nach sozusagen eins geworden sein mit dem Irrtum, er würde un­möglich haben vorwärtsschreiten können; denn mit jedem Irrtum, mit jeder Lüge, mit jeder Illusion werfen wir uns ein Hindernis des Fortschreitens in den Weg. Wir würden immer um so viel zurückkommen in unserem Fortschreiten, als wir uns Hindernisse in den Weg werfen durch Irrtum und Sünde, wenn wir nicht in der Lage wären, Irrtum und Sünde zu korrigieren, das heißt, wir könnten in Wahrheit das Menschenziel nicht erreichen. Es wäre unmöglich, das, was das Menschenziel ist, zu erreichen, wenn nicht die gegensätzlichen Kräfte, die Kräfte des Karma, wirken würden.

Denken Sie einmal, Sie begehen irgendein Unrecht in einem Leben. Dieses Unrecht, das Sie begangen haben, das bedeutet, wenn es so stehenbliebe in Ihrem Leben, nichts Geringeres, als daß Sie den Schritt, den Sie vorwärts gemacht hätten, wenn Sie das Unrecht nicht begangen hätten, verloren haben. Und mit jedem Unrecht würden Sie einen Schritt verlieren, und dafür wäre gesorgt, daß genügend viele Schritte zurück gemacht werden. Wenn die Möglichkeit nicht gegeben wäre, sich über den Irrtum zu erheben, so müßte der Mensch zuletzt in Irrtum versinken. So aber ist die Wohltat des Karma eingetreten.

Was bedeutet diese Wohltat für den Menschen? Ist Karma irgend etwas, vor dem der Mensch sich fürchten soll, vor dem der Mensch schaudern soll? Nein! Karma ist eine Macht, für die der Mensch eigentlich den Weltenplänen dankbar sein sollte. Denn Karma sagt uns: Hast du einen Irrtum begangen - Gott läßt seiner nicht spotten! Was du gesät hast, das mußt du auch ernten. Dieser Irrtum bewirkt, daß du ihn verbessern mußt; dann hast du ihn aus deinem Karma ausgetilgt und du kannst wieder ein Stück vorwärtsschreiten. Ohne Karma wäre unser Fortschreiten in der menschlichen Laufbahn unmöglich. Karma erweist uns die Wohitat, daß wir jeden Irrtum wieder gutmachen müssen, daß wir alles, was wir rückwärts getan haben, wieder vernichten müssen. So trat als die Folge der Taten des Ahriman Karma auf.

Und nun gehen wir weiter. In unserer Zeit gehen wir jenem Zeitalter entgegen, in dem nun andere Wesenheiten sich an den Menschen

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heranmachen werden, Wesenheiten, welche immer mehr und mehr in der Menschenzukunft, die vor uns liegt, in die menschliche Entwickelung eingreifen werden.

Genau ebenso wie die luziferischen Geister im lemurischen Zeitalter eingegriffen haben, die ahrimanischen Geister im atlantischen Zeitalter, so werden nach und nach auch in unserem Zeitalter Wesenheiten eingreifen. Machen wir uns einmal klar, was das für Wesenheiten sein werden.

Die Wesenheiten, die im lemurischen Zeitalter eingegriffen haben, von denen mußten wir sagen: sie haben sich im astralischen Leib des Menschen festgesetzt, haben seine Interessen, seine Triebe und Begierden in die irdische Sphäre heruntergezogen. In was genauer gesagt, haben sich diese luziferischen Wesenheiten festgesetzt?

Verstehen können Sie das nur, wenn Sie jene Gliederung zugrunde legen, welche Ihnen in meinem Buche «Theosophie» gegeben ist. Da ist gezeigt, daß wir am Menschen zunächst seinen physischen Leib zu unterscheiden haben, dann seinen Äther- oder Lebensleib und seinen astralischen Leib, oder, wie ich ihn dort genannt habe, den Empfindungsleib oder Seelenleib.

Wenn wir diese drei Glieder betrachten, so sind es genau die drei Glieder, die dem Menschen gegeben waren vor seiner irdischen Lauf­bahn. Was da genannt ist der physische Leib, das ist auf dem alten Saturn veranlagt worden, was genannt ist der Ätherleib, das ist auf der Sonne veranlagt, und dasjenige, was da genannt ist der Seelen- oder Empfindungsleib, ist auf dem alten Monde veranlagt.

Jetzt sind auf der Erde nach und nach dazugekommen die Empfindungsseele, die eigentlich eine unbewußte Umänderung, eine unbewußte Bearbeitung des Empfindungsleibes ist. In der Empfindungsseele hat sich verankert Luzifer; da hinein hat er sich geschlichen, da sitzt er drinnen. Weiter ist entstanden durch die unbewußte Umarbeitung des Ätherleibes die Verstandesseele. Genaueres ist darüber gesagt in der Abhandlung über «Die Erziehung des Kindes». In diesem zweiten Glied der menschlichen Seele, der Verstandesseele, also in dem umgearbeiteten Stück des Ätherleibes, da hat sich festgesetzt Ahriman. Da ist er drinnen und führt den Menschen zu falschen Urteilen über das Materielle, führt ihn zu Irrtum und Sünde und Lüge, zu allem, was

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eben aus der Verstandes- oder Gemütsseele kommt. In alledem zum Beispiel, daß der Mensch sich der Illusion hingibt, mit der Materie sei das Richtige gegeben, haben wir Einflüsterungen des Ahriman, des Mephistopheles zu sehen.

Drittens kommt an die Reihe die Bewußtseinsseele, die in einer unbewußten Umarbeitung des physischen Leibes besteht. Es ist Ihnen ja erinnerlich, wie diese Umarbeitung geschah. Gegen das Ende der atlantischen Zeit trat der Ätherleib des Kopfes ganz hinein in den physischen Kopf und gestaltete allmählich den physischen Leib so um, daß er eine selbstbewußte Wesenheit wurde. An dieser unbewußten Umarbeitung des physischen Leibes, an der Bewußtseinsseele, arbeitet der Mensch heute noch immer im Grunde genommen. Und in der Zeit, die jetzt kommen wird, werden sich hineinschleichen in diese Bewußtseinsseele und damit in das, was man das menschliche Ich nennt - denn das Ich geht auf in der Bewußtseinsseele -, diejenigen geistigen Wesenheiten, die man die Asuras nennt. Die Asuras werden mit einer viel intensiveren Kraft das Böse entwickeln als selbst die satanischen Mächte der atlantischen oder gar die luziferischen Geister der lemurischen Zeit.

Haben die guten Geister dem Menschen Schmerzen und Leiden, Krankheit und Tod gegeben, damit er sich trotz der Möglichkeit des Bösen aufwärts entwickeln kann, haben die guten Geister die Möglichkeit des Karma gegenüber den ahrimanischen Mächten gegeben, um den Irrtum wieder auszugleichen - gegenüber den asurischen Geistern wird das im Verlaufe des Erdendaseins nicht so leicht sein. Denn diese asurischen Geister werden bewirken, daß das, was von ihnen ergriffen ist - und es ist ja des Menschen tiefstes Innerstes, die Bewußtseinsseele mit dem Ich -, daß das Ich sich vereinigt mit der Sinnlichkeit der Erde. Es wird Stück für Stück aus dem Ich herausgerissen werden, und in

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demselben Maße, wie sich die asurischen Geister in der Bewußtseinsseele festsetzen, in demselben Maße muß der Mensch auf der Erde zurücklassen Stücke seines Daseins. Das wird unwiederbringlich verloren sein, was den asurischen Mächten verfallen ist. Nicht, daß der ganze Mensch ihnen zu verfallen braucht, aber Stücke werden aus dem Geiste des Menschen herausgeschnitten durch die asurischen Mächte.

Diese asurischen Mächte kündigen sich in unserem Zeitalter an durch den Geist, der da waltet und den wir nennen könnten den Geist des bloßen Lebens in der Sinnlichkeit und des Vergessens aller wirklichen geistigen Wesenheiten und geistigen Welten. Man könnte sagen: Heute ist es erst mehr theoretisch, daß die asurischen Mächte den Menschen verführen. Heute gaukeln sie ihm vielfach vor, daß sein Ich ein Ergebnis wäre der bloßen physischen Welt. Heute verführen sie ihn zu einer Art theoretischem Materialismus. Aber sie werden im weiteren Verlauf - und das kündigt sich immer mehr an durch die wüsten Leidenschaften der Sinnlichkeit, die immer mehr und mehr auf die Erde herniedersteigen - dem Menschen den Blick umdunkeln gegenüber den geistigen Wesenheiten und geistigen Mächten.

Es wird der Mensch nichts wissen und nichts wissen wollen von einer geistigen Welt.

Heute lebt ja noch niemand im Sinne des Satzes, daß der Mensch seiner Wesenheit nach vom Tiere abstamme. Aber diese Weltanschauung wird unbedingt kommen, und sie wird im Gefolge haben, daß die Menschen mit dieser Weltanschauung auch wie Tiere leben werden, heruntersinken werden in die bloßen tierischen Triebe und tierischen Leidenschaften. Und in mancherlei von dem, was hier nicht weiter charakterisiert zu werden braucht, was sich jetzt namentlich an den Stätten der großen Städte als wüste Orgien zweckloser Sinnlichkeiten

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geltend macht, sehen wir schon groteskes Höllenleuchten derjenigen Geister, die wir als die asurischen bezeichnen.

Wenden wir den Blick noch einmal zurück. Wir haben gesagt, daß es die Geister waren, die den Menschen vorwärtsbringen wollen, die ihm Leiden und Schmerzen und auch den Tod geschickt haben. In der biblischen Urkunde wird es deutlich angekündigt: In Schmerzen sollst du deine Kinder gebären! - Der Tod ist in die Welt gekommen. Das ist ja das, was diejenigen Mächte, die den luziferischen entgegenstehen, über den Menschen verhängten. Wer hat dem Menschen Karma, wer hat überhaupt dem Menschen die Möglichkeit gegeben, daß es ein Karma gibt?

Verstehen werden Sie nur, was jetzt gesagt ist, wenn Sie sich nicht in pedantischer Weise an die irdischen Zeitbegriffe halten. Mit dem irdischen Zeitbegriff glaubt der Mensch, daß das, was da oder dort einmal vorgeht, eine Wirkung nur haben kann in bezug auf das Nachfolgende. In der geistigen Welt ist es aber so, daß das, was geschieht, sich in seinen Wirkungen schon vorher zeigt, daß es schon vorher in seinen Wirkungen da ist. Woher kommt die Wohltat des Karma? Woraus ist eigentlich in unserer ErdenentwickeJung diese Wohltat entsprungen, daß es ein Karma gibt? Von keiner anderen Kraft kommt das Karma in der ganzen Entwickelung als von dem Christus.

Wenn der Christus auch erst später erschienen ist, vorhanden war er in der geistigen Sphäre der Erde schon immer. Schon in den alten atlantischen Orakeln haben die Orakel-Priester von dem Geist der Sonne, von dem Christus gesprochen. Die heiligen Rishis in der indischen Kulturperiode haben gesprochen von Vishva Karman; Zarathustra hat in Persien von Ahura Mazdao gesprochen. Es hat Hermes von dem Osiris gesprochen; und es hat gesprochen von jener Kraft, die durch ihr Ewiges der Ausgleich alles Natürlichen ist, von jener Kraft, die in dem «Ehjeh asher ehjeh» lebt, der Vorherverkündiger des Christus, der Moses. Alle haben von dem Christus gesprochen; aber wo war er zu finden in diesen alten Zeiten? Nur da, wo das geistige Auge hat hineinschauen können, in der geistigen Welt. In der geistigen Welt war er immer zu finden, und er war in der geistigen Welt wirksam, aus der geistigen Welt heraus wirksam. Er ist derjenige, der

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dem Menschen vorher schon, bevor er auf der Erde aufgetreten ist, heruntergesandt hat die Möglichkeit des Karma.

Dann trat er auf der Erde selber auf, und wir wissen, was er dem Menschen dadurch geworden ist, daß er auf der Erde auftrat. Wir haben geschildert seine Wirkungen in der irdischen Sphäre selber. Wir haben die Bedeutung des Ereignisses von Golgatha dargestellt. Wir haben geschildert seine Wirkung auch bei denen, die damals, als das Ereignis von Golgatha geschah, nicht im irdischen Leibe verkörpert waren, die dazumal in der geistigen Welt waren. Wir wissen, daß in dem Augenblick, wo auf Golgatha das Blut aus den Wunden floß, der Geist des Christus in der Unterwelt erschien, und wir haben gesagt: da ging es durch die ganze Welt des Geistes wie eine Erleuchtung, wie eine Erhellung; kurz, wir haben gesagt, daß das Erscheinen des Christus auf der Erde das wichtigste Ereignis ist, auch für die Welt, die der Mensch durchlebt zwischen dem Tode und der neuen Geburt. Es ist durchaus eine reale Wirkung, die ausgeht von diesem Christus.

Wir brauchen uns nur zu fragen, was geschehen wäre mit der Erde, wenn der Christus nicht erschienen wäre. Gerade in dem Gegenbild einer Christus-losen Erde können Sie die ganze Bedeutung der Christus-Erscheinung ermessen. Nehmen wir einmal an, der Christus wäre nicht erschienen, das Ereignis von Golgatha hätte nicht stattgefunden in der Zeit, in welcher der Christus erschienen ist.

Vor dem Erscheinen des Christus war es für die Seelen der fortgeschrittensten Menschen, die das tiefste Interesse für das Erdenleben sich angeeignet hatten, in der geistigen Welt so, daß wirklich der Ausspruch des Griechen darauf paßte: Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten. Denn einsam und in finsterer Umgebung fühlten sich die Seelen in der geistigen Welt, bevor das Ereignis von Golgatha eintrat. Die geistige Welt war damals nicht in ihrer ganzen lichtvollen Klarheit durchsichtig für die, die durch das Tor des Todes kommend, in sie hineinschritten. Ein jeder fühlte sich allein, sich in sich zurückgestoßen, wie eine Mauer war es aufgerichtet gegenüber jedem anderen. Und das wäre immer stärker und stärker geworden. Die Menschen hätten sich in ihrem Ich verhärtet, die Menschen wären völlig auf sich zurückgewiesen gewesen,

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keiner hätte die Brücke zu dem anderen gefunden. Die Menschen wären wieder verkörpert worden, und war der Egoismus vorher schon ein sehr großer, er wäre mit jeder neuen Inkarnation ungeheurer geworden.

Das ganze Erdendasein würde den Menschen immer mehr und mehr zu dem wüstesten Egoisten gemacht haben. Keine Aussicht wäre gewesen, daß jemals auf dem Erdenrund eine Brüderlichkeit, eine innere Harmonie der Seelen zustande gekommen wäre; denn mit jedem Durchgang durch das geistige Reich wären stärkere Einflüsse in das Ego eingezogen. Das wäre bei einer Christus-losen Erde geschehen. Daß der Mensch allmählich wieder den Weg findet von Seele zu Seele, daß er die Möglichkeit gewinnt, die große Kraft der Brüderlichkeit auf die ganze Menschheit auszugießen, das ist der Tatsache zu verdanken, daß der Christus erschienen ist, daß das Ereignis von Golgatha stattgefunden hat. So erscheint der Christus als diejenige Macht, welche es dem Menschen möglich machte, das Erdendasein in der entsprechenden Weise auszunützen, das heißt, gerade Karma in der entsprechenden Weise zu gestalten. Denn Karma muß auf der Erde ausgewirkt werden. Daß der Mensch die Kraft findet, in dem irdisch-physischen Dasein sein Karma in der entsprechenden Weise zu verbessern, daß er die Möglichkeit bekommt, eine fortschreitende Entwickelung zu finden, das verdankt er der Wirkung des Christus-Ereignisses, der Anwesenheit des Christus in der irdischen Sphäre.

So sehen wir, wie die verschiedensten Kräfte und Wesenheiten im Verlaufe der Menschheitsentwickelung zusammenwirken. Wäre der Christus nicht auf die Erde gekommen - wir sehen es jetzt ganz klar, was wir vorher nur im allgemeinen andeuten konnten, indem wir sagten: Der Mensch wäre in seinem Irrtum versunken, weil er immer mehr und mehr sich verhärtet hätte, sozusagen eine Kugel für sich geworden wäre, die nichts gewußt hätte von den anderen Wesenheiten, ganz in sich abgeschlossen. Da hinein hätte der Irrtum und die Sünde den Menschen getrieben.

So ist der Christus eben der Lichtführer, der hinausführt aus Irrtum und Sünde; und dadurch ist der Mensch imstande, den Weg aufwärts

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zu finden. Nun fragen wir uns: Was hat denn der Mensch verloren, indem er heruntergestiegen ist aus der geistigen Welt, daß er sich verstrickte unter dem Einfluß Luzifers in die Begierden und Leidenschaften und dann durch den Einfluß Ahrimans in Irrtum, Illusion und Lüge in bezug auf die irdische Welt? Er hat den unmittelbaren Einblick in die geistige Welt verloren, das Verständnis der geistigen Welt hat der Mensch verloren.

Was soll also der Mensch wiedergewinnen? Wiedergewinnen soll der Mensch das volle Verständnis für die geistige Welt. Und die Tat des Christus kann von dem Menschen als einem selbstbewußten Wesen erst dadurch ergriffen werden, daß der Mensch zum vollen Verständnis der Bedeutung des Christus kommt. Gewiß, die Christuskraft ist da. Die Christus-Kraft hat der Mensch nicht auf die Erde gebracht. Die Christus-Kraft ist eben auf die Erde durch den Christus gekommen. Durch den Christus ist die Möglichkeit des Karma in die Menschheit hineingekommen. Aber nun soll der Mensch als ein selbstbewußtes Wesen das Wesen des Christus und den Zusammenhang des Christus mit der ganzen Welt erkennen. Nur dadurch kann der Mensch wirklich als ein Ich wirken.

Was tut denn der Mensch, wenn er jetzt, nachdem der Christus da war, nicht nur die Kraft des Christus unbewußt auf sich wirken läßt, nicht sozusagen nur sagt: Ich bin schon zufrieden, daß der Christus da war, er wird mich schon erlösen und dafür sorgen, daß ich vorwärtskomme! - sondern wenn der Mensch sich sagt: Ich will erkennen, was der Christus ist, wie er herunterstieg, ich will durch meinen Geist Anteil haben an der Tat des Christus! - was tut der Mensch dadurch?

Erinnern Sie sich, daß dadurch, daß die luziferischen Geister sich einschlichen in den menschlichen Astralleib, der Mensch heruntergestiegen ist in die sinnliche Welt, daß er dadurch allerdings dem Bösen hat verfallen können, aber auch die Möglichkeit der selbst­bewußten Freiheit errungen hat. Luzifer ist im Wesen des Menschen, hat den Menschen heruntergeholt sozusagen auf die Erde, ihn ver­strickt in das irdische Dasein, indem er zuerst die Leidenschaften und Begierden, die im astralischen Leib waren, in die Erde geführt hat, so daß dann auch Ahriman angreifen konnte im ätherischen Leib, in

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der Verstandesseele. Nun ist der Christus erschienen und damit diejenige Kraft, die den Menschen auch wiederum hinauftragen kann in die geistige Welt.

Aber jetzt kann der Mensch, wenn er will, den Christus erkennen! Jetzt kann sich der Mensch alle Weisheit sammeln, um den Christus zu erkennen. Was tut er dadurch? Etwas Ungeheures! Wenn der Mensch den Christus erkennt, wenn er sich wirklich einläßt auf die Weisheit, um zu durchschauen, was der Christus ist, dann erlöst er sich und die luziferischen Wesenheiten durch die Christus-Erkenntnis.

Würde der Mensch sich bloß sagen: Ich bin zufrieden damit, daß der Christus da war, ich lasse mich erlösen unbewußt! - dann würde der Mensch niemals zur Erlösung der luziferischen Wesenheiten etwas beitragen. Diese luziferischen Wesen­heiten, die dem Menschen die Freiheit gebracht haben, geben ihm auch die Möglichkeit, diese Freiheit jetzt in einer freien Weise zu benutzen, um den Christus zu durchschauen. Dann werden in dem Feuer des Christentums geläutert und gereinigt die luziferischen Geister, und es wird das, was durch die luziferischen Geister an der Erde gesündigt worden ist, aus einer Sünde in eine Wohltat um­gewandelt werden. Die Freiheit ist errungen, aber sie wird als eine Wohltat mit hineingenommen werden in die geistige Sphäre.

Daß der Mensch das kann, daß er imstande ist, den Christus zu erkennen, daß Luzifer in einer neuen Gestalt aufersteht und sich als der Heilige Geist mit dem Christus vereinigen kann, das hat der Christus selbst noch als eine Prophezeiung denen gesagt, die um ihn waren, als er sagte: Ihr könnt erleuchtet werden mit dem neuen Geist, mit dem Heiligen Geist! - Dieser Heilige Geist ist kein anderer als der, durch den auch begriffen wird, was der Christus eigentlich getan hat. Christus wollte nicht bloß wirken, er wollte auch begriffen, er wollte auch verstanden sein. Deshalb gehört es zum Christentum, daß der Geist, der die Menschen inspiriert, der Heilige Geist, zu den Menschen gesandt wird.

Pfingsten gehört im geistigen Sinne zu Ostern und ist nicht zu trennen von Ostern. Dieser Heilige Geist ist kein anderer als der wieder­erstandene und jetzt in reinerer, höherer Glorie erstandene luziferische Geist, der Geist der selbständigen, der weisheitsvollen Erkenntnis.

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Diesen Geist hat Christus selber noch für die Menschen prophezeit, daß er erscheine nach ihm, und in seinem Sinne muß fottgewirkt werden. Und was wirkt in seinem Sinne fort? Wenn sie verstanden wird, wirkt in seinem Sinne fort die geisteswissenschaftliche Weltenströmung! Was ist die geisteswissenschaftliche Weltenströmung? Sie ist die Weisheit des Geistes, diejenige Weisheit, die das, was sonst unbewußt bleiben würde im Christentum, zum vollen Bewußtsein heraufhebt.

Dem Christus trägt voran die Fackel der wiedererstandene Luzifer, der jetzt zum Guten umgewandelte Luzifer. Den Christus selber trägt er. Er ist der Träger des Lichtes, der Christus ist das Licht. Luzifer ist, wie das Wort heißt, der Träger des Lichtes. Das aber soll die geisteswissenschaftliche Bewegung sein, das ist unter ihr zu verstehen. Und diejenigen, welche begriffen haben, daß der Fortschritt der Menschheit abhängt von dem Begreifen des großen Ereignisses von Golgatha, das sind die, welche als die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen vereinigt sind in der großen führenden Loge der Menschheit. Und wie einstmals als in einem lebendigen Welten-Symbole die feurigen Zungen herniederschwebten auf die Gemeinde, so waltet das, was der Christus selber als den Heiligen Geist gesandt hat, als das Licht über der Loge der Zwölf. Der Dreizehnte ist der Führer der Loge der Zwölf. Der Heilige Geist ist der große Lehrer derjenigen, die wir die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen nennen. Sie also sind diejenigen, durch die seine Stimme und seine Weistümer in diesem oder jenem Strom auf die Erde zur Menschheit herniederfließen. Was zusammengetragen wird an Weistümern durch die geisteswissenschaftliche Bewegung, um die Welt und die Geister darinnen zu verstehen, das fließt durch den Heiligen Geist in die Loge der Zwölf, und das ist zuletzt das, was die Menschheit zum selbstbewußten freien Verständnis des Christus und des Ereignisses von Golgatha nach und nach bringen wird. So heißt Geisteswissenschaft treiben, verstehen, daß der Christus den Geist in die Welt gesandt hat, so daß es im wahren Christentum liegt, Geisteswissenschaft zu betreiben. Das wird immer mehr und mehr den Menschen klar werden.

Dann werden sie

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einsehen, daß sie in der Geisteswissenschaft etwas haben, was ein positives Lebensgut ist. Die Menschen haben das an der Geisteswissenschaft, daß ihnen Christus nach und nach bewußt wird als der Geist, der die Welt durchleuchtet. Und als Folge wird eintreten, daß die Menschen hier auf diesem Erdenrund, in der physischen Welt in moralischer Beziehung, in Beziehung auf den Willen, in intellektuel1er Beziehung fortschreiten. Die Welt wird durch das physische Leben hindurch immer vergeistigter und vergeistigter werden. Die Menschen werden besser und stärker und weiser werden und sie werden tiefer und immer tiefer hineinschauen und hinein wollen in die tiefen Untergründe und Quellen des Daseins. Sie werden mitnehmen die Früchte, die sie hier in diesem sinnlichen Leben sich erobern, in das übersinnliche Leben und sie immer wieder zurückbringen aus dem übersinnlichen Leben bei einer neuen Verkörperung.

So wird die Erde immer mehr und mehr der Ausdruck ihres Geistes, des Christus-Geistes werden. So wird Geisteswissenschaft nach und nach verstanden werden aus den Grundlagen der Welt heraus. Man wird verstehen, daß sie eine positive reale Macht ist. Heute ist die Menschheit an verschiedenen Punkten nahe daran, den Geist ganz zu verlieren. Schon neulich wurde es im öffentlichen Vortrage gesagt, wie die Menschen heute leiden unter der Furcht vor der Vererbung. Die Furcht vor der erblichen Belastung ist so recht eine Beigabe unseres materialistischen Zeitalters.

Aber ist es genug, wenn sich der Mensch der Illusion hingibt: Ich brauche diese Furcht nicht zu haben? Keineswegs reicht das hin. Der Mensch, der sich nicht kümmert um die geistige Welt, der nicht in seine Seele hineingießt, was aus der geisteswissenschaftlichen Bewegung heraus fließen kann, er ist unterworfen dem, was aus der physischen Vererbungslinie kommt. Einzig und allein dadurch, daß der Mensch sich durchsetzt mit dem, was ihm aus der geisteswissenschaftlichen Geistesströmung zukommen kann, macht er sich zum Herrn über das, was herunterfließt aus der Vererbungslinie, macht es zu einem Unbedeutenden und wird Sieger über alles, was in der Außenwelt an den Menschen durch hemmende Mächte herantritt. Nicht dadurch, daß er es hinwegphilosophiert, herausdiskutiert, nicht dadurch, daß er sagt: Es gibt

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einen Geist - gelangt der Mensch zur Herrschaft über das Sinnliche, sondern dadurch, daß er sich mit diesem Geist durchdringt, daß er ihn in sich wirklich aufnimmt, dadurch, daß er wirklich den Willen hat, ihn in allen Einzelheiten kennenzulernen. Dann werden die Menschen in der physischen Welt auch immer gesünder werden durch die Geisteswissenschaft. Denn die Geisteswissenschaft wird selber das Heilmittel werden, welches die Menschen schön und gesund in der physischen Welt macht.

Noch mehr wird uns die reale Kraft der Geisteswissenschaft klar werden, wenn wir einen Blick darauf werfen, was der Mensch betritt, wenn er dürch das Tor des Todes schreitet. Das ist etwas, was der Mensch heute nur sehr schwer einsehen wird. Der Mensch denkt: Wozu brauche ich mich um das zu kümmern, was in der geistigen Welt vorgeht? Wenn ich sterbe, gehe ich ja ohnehin in die geistige Welt, da werde ich schon sehen und hören, was da drinnen ist! - In unzähligen Variationen können Sie das hören, jene bequeme Weise: Ach, was kümmere ich mich vor meinem Tode um das Geistige! Ich werde ja sehen, was daran ist; denn das kann ja nichts ändern an meinem Verhältnis zur geistigen Welt, ob ich mich hier damit befasse oder nicht!

So ist es aber nicht. Der Mensch, der so denkt, wird eine finstere und düstere Welt kennenlernen. Es wird sein, wie wenn er nicht viel unterscheiden könne von dem, was Sie beschrieben finden in meinem Buche «Theosophie» von den geistigen Welten. Denn daß der Mensch hier in der physischen Welt seinen Geist und seine Seele verbindet mit der geistigen Welt, das macht ihn erst fähig zu sehen, indem er sich hier darauf vorbereitet. Die geistige Welt ist da; die Fähigkeit, darin zu sehen, müssen Sie sich hier auf der Erde erringen, sonst sind Sie blind in der geistigen Welt. So ist Geisteswissenschaft die Macht, die Ihnen erst die Möglichkeit gibt, überhaupt bewußt in die geistige Welt einzudringen. Wäre der Christus nicht in der physischen Welt erschienen, so würde der Mensch versinken in der physischen Welt, könnte nicht in die geistige Welt eintreten. So aber wird er hinaufgehoben durch den Christus in die geistige Welt, daß er darinnen bewußt wird, darinnen sehen kann.

Das hängt davon ab, daß er sich auch zu verbinden weiß mit dem,

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den der Christus gesandt hat, mit dem Geist; sonst ist er unbewußt. Der Mensch muß sich seine Unsterblichkeit erwerben, denn eine Unsterblichkeit, die unbewußt ist, ist noch keine Unsterblichkeit. Schon der Meister Eckhart hat daraufhin das schöne Wort gesprochen: Was nützte es dem Menschen, ein König zu sein, wenn er doch nicht weiß, daß er das ist! - Damit hat er aber gemeint: Was nützt dem Menschen alle geistige Welt, ohne daß er weiß, was die geistigen Welten sind. Aneignen können Sie sich das Sehvermögen für die geistige Welt nur in der physischen Welt. Das mögen diejenigen beherzigen, die da fragen: Warum ist denn der Mensch überhaupt her­untergestiegen in die physische Welt? Der Mensch ist heruntergestiegen, damit er hier sehend werden kann für die geistige Welt. Blind würde er bleiben für die geistige Welt, wenn er nicht heruntergestiegen wäre und sich hier das selbstbewußte Wesen angeeignet hätte, mit dem er zurückkehren kann in die geistige Welt, so daß sie jetzt lichtvoll vor seiner Seele liegt.

So ist Geisteswissenschaft nicht bloß eine Weltanschauung, sondern sie ist etwas, ohne das der Mensch gar nicht in seinem unsterblichen Teil etwas von den unsterblichen Welten wissen kann. Eine reale Macht ist Geisteswissenschaft, etwas, was als eine Wirklichkeit in die Seele einfließt. Und indem Sie hier sitzen und Geisteswissenschaft treiben, lernen Sie nicht nur etwas wissen, sondern Sie wachsen hinein, etwas zu werden, was Sie sonst nicht sein würden. Das ist der Unterschied zwischen der Geisteswissenschaft und anderen Weltanschauungen. Alle anderen Weltanschauungen beziehen sich auf das Wissen, Anthroposophie bezieht sich auf das Sein des Menschen.

Wenn man die Dinge in der richtigen Weise zusammenstellt, wird man sich sagen müssen: Gerade in dieser Beleuchtung erscheint Christus, der Geist und die ganze Geisteswissenschaft in einem innerlichen wesentlichen Zusammenhange. Gegenüber einem solchen Zusammenhange wird alles verschwinden, was heute oberflächlich gesagt werden kann, etwa, daß eine westliche Richtung gegnerisch eingriffe in eine östliche Richtung des Okkultismus. Davon kann keine Rede sein. Es gibt nicht zwei Okkultismen; es gibt nur einen Okkultismus. Und es gibt keinen Gegensatz zwischen westlicher und östlicher

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Geisteswissenschaft. Eine Wahrheit gibt es nur.

Und wenn man uns fragt: Ja, wenn östlicher und westlicher Okkultismus dasselbe ist, warum erkennt man im östlichen Okkultismus den Christus nicht an? Welche Antwort ist darauf zu geben? Die Antwort ist darauf zu ge­ben, daß es nicht an uns ist, darauf zu antworten. Uns obliegt nicht die Pflicht, eine Antwort darauf zu geben; denn wir erkennen den vollen östlichen Okkultismus an. Fragen sie uns: Erkennen wir an, was der östliche Okkultismus über Brahma, über den Buddha sagt? Jawohl, wir erkennen es an. Wir verstehen es, wenn uns gesagt wird, auf diese oder jene Weise ist der Buddha hinaufgestiegen zu seiner Höhe. Keine einzige der östlichen Wahrheiten negieren wir. Wir stehen völlig auf dem Boden, die gesamten östlichen Wahrheiten anzuerkennen, insofern sie positiv sind. Aber soll uns das hindern, das auch noch anzuerkennen, was darüber hinausgeht? Nimmermehr! Wir erkennen an, was der östliche Okkultismus sagt, nur hindert uns das nicht, auch das, was an westlichen Wahrheiten existiert, mit anzuerkennen.

Wenn uns erzählt wird, daß es eine niedrige Auffassungsweise der Orientalisten sei, zu sagen, daß der Buddha an Übergenuß von Schweinefleisch zugrunde gegangen sei - wie es die gelehrten Herren anführen -, und wir darüber belehrt werden, daß das seine tiefere Bedeutung hat, die Bedeutung, daß der Buddha denen, die zunächst um ihn herum waren, zuviel der esoterischen Weisheit gegeben hat, so daß er an dieser Überfüllung zunächst eine Art von Karma hatte, wir geben es zu; wir sagen: Selbstverständlich liegen dahinter die tieferen esoterischen Weisheiten, die Ihr behauptet, die Ihr morgenländische Esoteriker seid.

Wenn man uns aber dann sagt, niemand könne begreifen, daß Johannes die Apokalypse unter Blitz und Donner auf Patmos empfangen habe, dann sagen wir: Ein jeder, der da weiß, was damit gemeint ist, der weiß, daß das eine Wahrheit ist. - Wir leugnen das eine nicht; aber wir können nicht mitgehen, wenn man leugnen wollte, daß das andere richtig ist. Uns fällt nicht ein, irgend etwas dagegen zu sagen, daß es richtig ist, wenn gesagt wird, der astralische Leib des Buddha ist aufbewahrt worden und später einverleibt worden dem Shankaracharya.

Aber uns kann es nicht hindern,

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zu lehren, daß der astralische Leib des Jesus von Nazareth aufbewahrt wurde und in soundsovielen Abbildern erschienen ist und verschiedenen, die damals im Sinne des Christentums gewirkt haben, einverleibt worden ist, wie dem Franz von Assisi oder der Elisabeth von Thüringen. Wir leugnen keine einzige Wahrheit des orientalischen Esoterismus; wir leugnen höchstens das, was er negiert an dem westlichen Esoterismus. Wenn man uns also fragt: Warum wird etwas geleugnet? Warum ist eine Gegnerschaft vorhanden? - so ist es nicht an uns, zu antworten. Denn an uns wäre es zu antworten, wenn wir irgendeine Gegnerschaft in uns hätten. Wir haben keine! Die Pflicht des Antwortens hat derjenige, der etwas leugnet, nicht der, der etwas zugibt. Das ist ganz selbstverständlich. Und von diesem Ausgangspunkte aus werden Sie in den nächsten Wochen dasjenige, was der Zusammenhang ist zwischen Geisteswissenschaft und dem Ereignis von Golgatha, vor Ihre Seele ziehen lassen können, werden in eine höhere Sphäre heben können den ganzen Beruf und die ganze Mission der geisteswissenschaftlichen Weltbewegung dadurch, daß sie die Aus­führung ist jener Inspiration, jener Macht, die der Christus als den Geist bezeichnet hat.

So sehen wir, wie Mächte in der Welt zusammenwirken, wie alles, was scheinbar widerstrebend ist dem Fortschreiten der Menschheit, hinterher als eine Wohltat sich erweist. So sehen wir auch, daß in der nachchristlichen Zeit, von Zeitalter zu Zeitalter, der Geist, der den Menschen befreit hat, wieder auftauchen wird in einer neuen Gestalt - der führende Lichtträger Luzifer wird seine Erlösung finden. Denn alles, was im Weltenplane ist, ist gut, und das Böse hat nur seinen Bestand durch eine gewisse Zeit hindurch. Daher glaubt nur der an die Ewigkeit des Bösen, der das Zeitliche mit dem Ewigen verwechselt; und daher kann derjenige das Böse niemals verstehen, der nicht aufsteigt von dem Zeitlichen zu dem Ewigen.