Ausgewählte Zyklen und Vorträge aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners

 

Rudolf Steiner (1861-1925):

GA 105 Welt, Erde und Mensch

6. Vortrag Stuttgart, 10. August 1908

Entstehung der Affen.
Entstehung der Menschenrassen.

Die Natur unseres Themas bringt es mit sich, daß wir in einer ganz eigenartigen Weise vorgehen, daß wir uns sozusagen im Kreise unserem Ziel nähern, daß wir vom Umfange aus immer engere Kreise ziehen, um dasjenige zu erreichen, was wir erreichen wollen. Daher kann es anfangs scheinen, als ob eine innere Systematik unseren Betrachtungen fehlte. Aber gerade dadurch, daß wir uns so allmählich von außen dem Inneren nähern, werden wir zu einem richtigen Verständnis der Sache vordringen.

Wir haben vorgestern unsere Betrachtungen so weit geführt, daß uns die Geister der Form, die Exusiai, oder wie man sie in der christlichen Esoterik nennt, die Gewalten, als die eigentlichen Regenten des menschlichen Erdendaseins entgegengetreten sind. Das ist das Innere der Sache, daß im Laufe unserer Erdenentwickelung in das Materielle und auch in das Seelische herein diese Geister wirkten, die auf einer so erhabenen Stufe stehen, daß sie in einem gewissen Zeitpunkt die Erde nicht mehr zu ihrem eigenen Schauplatz brauchen konnten. Wir haben gesehen, wie sie die feinsten Kräfte und Substanzen aus der Erde herauszogen und unsere Sonne zum Schauplatz ihrer eigenen Entwickelung machten. Und ferner haben wir betrachtet, wie einer der größten Geister sich aus diesem Reiche abgespalten hat von seinen Sonnengenossen und sich ganz hingeopfert hat. Es ist dies dieselbe Gestalt, die von da an mit den Mondkräften verbunden blieb, und die in der biblischen Urkunde als Jehova bezeichnet wird.

Wir haben uns also vorzustellen, daß die ganze Zeit über, als die Sonne noch mit der Erde verbunden war, hohe, erhabene Geister auch mit dem Erdendasein verbunden waren; daß dann die erhabensten Geister sich absonderten und daß einer der Genossen dieser erhabenen Gewalten zurückblieb, verbunden blieb mit der Erde bis zu dem nächsten großen kosmischen Ereignis, bis zu der Abspaltung des Mondes von der Erde. Und seit jener Zeit ist in den von außen wirkenden Mondkräften enthalten, was wir den Ausfluß, die Arbeit des Jehova nennen. So wirkten also auf unsere

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Erde von außen herein auf der einen Seite die hohen Sonnengeister und auf der anderen Seite Jehova mit seiner Schar, mit den ihm dienenden Geistern, und in ihrem Zusammenwirken regelten sie nunmehr die Erdenentwickelung der Menschheit, die wir jetzt näher ins Auge fassen müssen.

Was heißt das: Die Geister der Form sind die eigentlichen Regenten des Erdendaseins? Waren denn diese Geister der Form nicht auch schon in den früheren Entwickelungsstufen unseres Planeten tätig? Während der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit?

Ja, wohl waren sie auch schon früher tätig, aber sie hatten ein anderes Wirkungsfeld als auf der Erde. Wir werden das begreifen, wenn wir einfach die uns schon vor Augen getretenen Tatsachen in Erwägung ziehen. Auf dem Saturn war ja nur die erste Anlage zum physischen Leibe vorhanden, da war noch nicht eingeströmt der Ätherleib und nicht der Astralleib. Freilich wirkten damals schon diese Geister der Form, deren einer Jehova ist; aber, wenn wir uns trivial ausdrücken dürfen, sie hatten da für ihre Wirksamkeit nicht einen so vorbereiteten Boden.

Erst dadurch, daß auf der Sonne die Geister der Weisheit den Ätherleib und auf dem Monde die Geister der Bewegung den Astralleib verliehen, fanden jene Wesenheiten, die wir die Gewalten nennen, ein zubereitetes Menschenwesen. Denn erst einem Menschenwesen, das schon physischen, Äther- und Astralleib in sich hatte, konnten sie dasjenige geben, was wir heute als die menschliche Form kennen. Auf keiner früheren Entwickelungsphase war diese Form, wie Sie sie heute an sich selbst beobachten kön­nen, vorhanden; vorbereitende Stadien waren es, die auf dem Monde, der Sonne und dem Saturn vorhanden waren, und alles mußte erst eine gewisse Entwickelung erfahren, ehe der Mensch zu der edlen Menschenform emporgehoben werden konnte.

Wenn wir fragen, weshalb die Geister der Form nicht auf dem Saturn eingreifen konnten, so müssen wir erwidern: weil die dort ausgebildeten Keimanlagen des physischen Leibes sozusagen noch zu jung waren; ein gewisser Reifezustand mußte erst eintreten. Und dieser Reifezustand trat erst ein, als unsere Erde vor jener Entwickelung stand, von der ich Ihnen gesprochen habe, indem ich Ihnen schilderte, wie die Erde mit der Sonne zusammen eine Art feinen substantiellen Weltenkörper bildete und dann weiter in

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ihrer Entwickelung fortschritt. Da waren schon die Geister der Form tätig und bearbeiteten langsam und allmählich den Menschenleib, bis er endlich die menschliche Form erlangen konnte.

Wir können auf einen Zeitpunkt hindeuten, wo diese Formgebung des Menschen einen gewissen Abschluß gefunden hat, wo sozusagen die menschliche Form in der Hauptsache fertig war. In der ersten Zeit der atlantischen Periode war das noch nicht der Fall. Wenn wir bis in die erste Zeit hinter der gewaltigen Katastrophe zurückgehen, die die alte Atlantis weggeräumt hat, so finden wir unsere Vorfahren in einem Zustand, der von unserem heutigen sehr verschieden ist.

Erst in der Mitte der atlantischen Zeitepoche ungefähr gelangen wir an den Zeitpunkt, wo der Mensch in der Hauptsache seine Menschengestalt erhalten hat, wie wir sie heute kennen. Vorher war der Mensch durchaus nicht in einer solchen Weise fest wie nachher, sondern sein ganzer materieller Inhalt, wenn wir uns so ausdrücken dürfen, war weicher. In der ersten atlantischen Zeit finden wir den Menschen aus weicher Materie bestehend, die noch nichts von der heutigen Knochenhärte hatte, ja nicht einmal so fest wie Knorpel war. Der Mensch schwamm sozusagen noch herum in der noch ganz von dichten Wassern angefüllten und durchsetzten Luft, er war eine Art von Wasserwesen, in der Art, wie es heute gewisse Tiere gibt, die man kaum vom Wasser unterscheiden kann. Veranlagt war auch schon damals in den Kräften der Knochenbau, aber er war noch nicht verhärtet.

Das ist die Zeit, in welcher auch noch ein ganz anderer Zusammenhang zwischen den höheren und den niederen Gliedern des Menschenwesens bestand. Erinnern wir uns noch einmal daran, daß heute, wenn der Mensch schläft, er seinen physischen und seinen Ätherleib im Bette liegen läßt, während der Astralleib und das Ich draußen sind. Da heute der Ätherleib annähernd in Form und Größe dem physischen gleicht, so ist der Mensch, wenn er sich mit seinem Astralleib aus dem physischen Leibe begibt, auch sehr bald aus dem Ätherleibe heraus. So war das nicht in der ersten atlantischen Zeit. Da ragte der Ätherleib nach allen Seiten, namentlich am Kopfe, über den physischen Leib heraus. Dieses Herausragen hatte zur Folge, daß der Astralleib, wenn er schon aus dem physischen Leibe herausgetreten war, immer noch mit dem Ätherleibe verbunden blieb.

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Wenn beim heutigen Menschen der Astralleib heraustritt, so hat er in demselben Augenblick, wo er den physischen Leib verlassen hat, auch den Ätherleib verlassen. Und die Folge dieser Verbindung des Astralleibes mit dem Ätherleibe, die früher noch andauerte, wenn der physische Leib schon verlassen war, bestand darin, daß der Mensch in der Nacht nicht eine solche Finsternis und Bewußtlosigkeit um und in sich hatte, wie es heute der Fall ist. Dann, wenn er aus seinem physischen Leibe heraus war, konnte er in einem dämmerhaften Hellsehen seelisch-geistige Wesenheiten wahrnehmen.

Es ist so, daß, wenn Sie sich vorstellen, daß Sie einschlafen und Ihr Astralleib aus dem physischen Leibe heraustritt, daß dann Ihr Blick sich ablenkt von der physischen Welt, dafür aber Ihnen eine Welt entgegentritt, die mit seelisch-geistigen Wesenheiten bevölkert ist. Ein solcher Mensch aber konnte keinen festen physischen Leib brauchen, ein festes Knochensystem konnte er nicht brauchen; denn dadurch, daß der physische Leib weich war, war er auch beweglicher.

Und da kommen wir an etwas, was für das hellseherische Bewußtsein durchaus einmal vorhanden war, so sehr es für das heutige mate­rialistische Bewußtsein auch ein Greuel sein mag: In der ersten atlantischen Zeit hatte der Mensch eine große Gewalt über die Gestalt seines Leibes.

Denken Sie sich, der Mensch damals wollte, daß ein Glied, das später zur Hand wurde - grob ausgedrückt -, anders ausschauen sollte, daß es zum Beispiel sich verlängern sollte; dann konnte er es in der Tat elastisch verlängern, er konnte alle seine Glieder nicht nur bewegen, sondern auch elastisch dehnen, er konnte sich sozusagen aufblasen. Das war damals durchaus möglich, so sehr es auch dem heutigen materialistisch denkenden Menschen widerstrebt; er konnte die Finger weithin ausstrecken, verlängern; und besonders stark war das der Fall, wenn wir noch weiter zurückgehen, in das lemurische Zeitalter.

Und jetzt werden Sie sehen, wie sich zwei Dinge zusammenschließen. Wann hat der Mensch die Fähigkeit verloren, seine Glieder auszustrecken, zu dehnen und wieder zusammenzuziehen? Als die Geister der Form fertig geworden waren mit der Ausarbeitung der Formen. Solange der Mensch die physische Form, die ihm bleiben sollte, noch nicht völlig erhalten hatte, so lange konnte er, beherrscht von anderen Geistern,

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seine Gestalt noch verändern.

Gehen wir also in Zeiten zurück, die hinter der atlantischen Epoche liegen, so finden wir, daß die Gestalt des Menschen noch nicht abgeschlossen ist, daß der Mensch eine sich immer metamorphosierende Gestalt hat. Und wir müssen uns darüber klar sein, daß dann einmal ein Zeitpunkt gekommen ist, wo die Geister der Form fertig abgeschlossen hatten alles das, was sie zunächst zu tun hatten, um die menschliche Form ihrer eigenen Form gleich zu gestalten; denn sie gossen ja ihre eigene Gestalt hinein.


Nehmen wir nun an, und wir werden sehen, durch welche Ereignisse so etwas bewirkt worden ist, irgendwelche Menschenwesen hätten sozusagen nicht warten können bis zu diesem Zeitpunkt, wo die Geister der Form mit ihrer Arbeit fertig waren, dann wären diese Wesen auf irgendeiner früheren Stufe erstarrt, sie wären gewissermaßen in der Form verknöchert; sie hätten eine frühere Gestalt festgehalten. Darauf aber kam es gerade an, daß dieses Wesen, das ein Mensch werden sollte, seine Form und Gestalt so lange beweglich erhielt, bis der normale Zeitpunkt für die feste Form eintreten konnte. Nehmen wir einen Zeitpunkt kurz zuvor - in Wirklichkeit liegt er allerdings weit zurück, denn es handelt sich da um lange Zeiträume. Da war das äußere Wesen des Menschen so, daß es immer noch die Kräfte brauchte, die es bearbeiteten, die es umarbeiteten, veredelten.

Nehmen wir nun einmal an, durch Ereignisse, die wir später noch kennenlernen werden, hätten sich gewisse Menschenwesen losgelöst von den fort und fort wirkenden Formkräften, sie wären herausgefallen, so daß sie nicht mehr ganz von den formenden Kräften durchdrungen gewesen wären wie früher: dann wären diese Menschenwesen auf einer früheren Stufe stehengeblieben.

Das ist nun in der Tat geschehen, und in diesen Wesen, die sich zu früh losgelöst haben, die uns zwar am nächsten stehen, die aber nicht lange genug auf sich wirken ließen die Geister der Form, in diesen Wesen haben wir die Affen. Sie konnten nicht warten, sie blieben nicht lange genug in dem Schoße der göttlichen Wesenheiten, die wir die Geister der Form nennen. Und das, was wir jetzt für die Affen geschildert haben, das trat immer wieder während des Erden­daseins für irgendwelche Wesenheiten ein; immer wieder blieben Wesenheiten zurück und erstarrten.

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Da haben Sie die ganze Reihe der heutigen Tiere. Wenn Sie aber fragen: Stammt irgendein menschliches Wesen von solchen Tierfor­men? - so ist die Antwort: Nein! - Der Mensch blieb sozusagen über dem Boden der Erdoberfläche in den reinen Elementen und verdichtete sich erst, als es für ihn Zeit war. Diesen Zeitpunkt, wo der Mensch aus reinen geistigen Höhen, ohne die irdische Verdichtung zu haben, heruntergestiegen ist auf die Erde, hält die biblische Urkunde sehr schön in der Paradiesessage fest. Das Paradies liegt trotz aller Forschung gar nicht auf dem Erdboden, sondern im Umkreise der Erde. Der Mensch stieg erst später von dem Paradies auf die Erde nieder, nachdem er seine abgeschlossene Form erhalten hatte.


Nun aber machen wir uns klar, was jetzt hätte geschehen sollen in der Mitte der atlantischen Zeit, damals als diese Geister der Form fertig waren mit der Ausbildung des physischen Leibes. In diesem Zeitpunkte hätte der Mensch mit seinen Sinnen, die ja dann auch fertig geworden waren, hinausblicken müssen in die Umgebung und hätte zuerst leben müssen mit seiner äußeren physischen Umgebung. Vorher war ja alles in der physischen Umgebung in unklaren Konturen vorhanden gewesen. Da erst wäre der Zeitpunkt gekommen, wo der Mensch mit der äußeren Welt sozusagen in normaler Weise in Beziehung hätte treten sollen. Dann würde in diesem Zeitpunkte der Mensch sich unterscheiden gelernt haben von seiner Umgebung, und er würde gelernt haben, Ich zu sich zu sagen, denn man kann nur dann zu sich Ich sagen, wenn man sich von den anderen Dingen unterscheiden kann. Das würde der Mensch in diesem Zeitpunkte gelernt haben. In dieser Zeit würde er einen solchen physischen Leib gehabt haben, den er einen entsprechenden Träger seines Ichs hätte nennen können.

Wir haben aber schon erwähnt, wie auf allen Stufen der Weltentwickelung gewisse Wesenheiten zurückgeblieben sind. Nicht alle We­senheiten haben jene Stufe erlangt, daß sie in der eben beschriebenen Weise hätten wirken können, auch nicht alle Wesenheiten, die wir die Geister der Form oder Gewalten genannt haben. Und gerade die zurückgebliebenen Wesenheiten sind es, die für die menschliche Entwickelung auf der Erde ganz wesentlich in Betracht kommen.

Wir haben ja schon betrachtet, daß es außer den erhabenen Wesenheiten,

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die von der Sonne und dem Monde aus wirken, noch andere gibt, die auf einer Zwischenstufe stehen, auf einer Stufe zwischen den Menschen und den hohen Sonnen- und Mondgeistern, und die zu ihrem Schauplatz den Merkur und die Venus haben, jene Weltkörper, die zwischen Sonne und Erde eingestreut sind. So wie nun die Sonnengeister die normale Entwickelung erlangt hatten und genau den Zeitpunkt trafen, in dem sie in der richtigen Weise wirken konnten, so fanden diejenigen Wesen, die zwischen der Erde und den Sonnengeistern standen, diesen Zeitpunkt nicht in derselben Weise, und weil sie nicht in der normalen Entwickelung waren, griffen sie zu einer anderen Zeit ein. Und jetzt wollen wir einmal betrachten, was dadurch entstanden ist.

Wir betrachten die Menschenentwickelung noch einmal so, wie sie verlaufen ist. Stellen wir uns wieder den physischen, den Äther-, den Astralleib und das Ich vor. Nun wissen wir ja, daß das Ich dazu berufen ist, die anderen Glieder der menschlichen Wesenheit umzugestalten, daß es damit beginnen muß, nach und nach den astralischen Leib in seine Gewalt und Herrschaft zu bekommen; das heißt nichts anderes, als daß der Mensch seine Leidenschaften und Triebe beherrscht.

So war also der Zeitpunkt gekommen, wo das Ich so in normaler Weise im Menschen auftreten sollte, wo es am astralischen Leibe arbeiten sollte; nach und nach sollte der astralische Leib umgewandelt, sollte das Geistselbst ausgebildet werden. Als die erhabenen Gewalten in der Mitte der atlantischen Zeit eingriffen, war die erste Möglichkeit zu einer solchen Umwandlung gegeben. Jetzt werden wir verstehen, welch eine merkwürdige Aufgabe sich die zurückgebliebenen Wesenheiten stellen mußten.

Sie waren nicht so weit, daß sie den Menschen bei der Ausarbeitung seines Geistselbst unterstützen konnten. Die Folge davon war, daß sie auf seinen noch nicht bis zum Ich vorgedrungenen Astralleib wirkten. Und sie wirkten auch schon vorher. Wir haben also in der Erdenmenschheitsentwickelung einen gewissen Zeitraum, wo der Astralleib, der sich noch nicht bis zum Ich heraufgestaltet hat, von diesen zurückgebliebenen geistigen Wesenheiten bearbeitet wird.

Sie werden das noch besser verstehen, wenn Sie sich daran erinnern, daß der Mensch auf dem Monde physischen, Äther- und Astralleib hatte, und daß die Gewalten damals normalerweise auf den Astralleib eingewirkt

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haben. Diejenigen nun, die sich normal weiterentwickelt hatten, die wirkten jetzt auf das Ich, die anderen aber, die zurückgeblieben waren, wirkten nach ihrer alten Mondgewohnheit weiter auf den Astralleib. Ehe also der Mensch sein Ich ausgebildet hatte, wirkten diese zurückgebliebenen, aber hoch über den Menschen erhabenen Wesenheiten auf seinen Astralleib. Wir nennen sie nach ihrem Hauptrepräsentanten, nach ihrem Anführer die luziferischen Wesenheiten.

Zwei Gattungen von Wesenheiten wirkten also auf den Menschen ein: jene normal wirkenden Geister, von denen wir das vorige Mal gesprochen haben, und diese luziferischen Wesenheiten, die es sozusagen nicht bis zu einem Wirken auf das Ich gebracht hatten, und die den menschlichen Astralleib vorher schon bearbeiteten. Und dadurch hielten diese letzteren auch den Menschen in seiner Entwickelung zurück. Hätten solche Wesen nicht auf den Menschen eingewirkt, dann wäre er in der Mitte der atlantischen Zeit so weit gewesen, daß die erhabenen Gewalten auf sein Ich eingewirkt hätten.

Nun können wir fragen: Ist das, was diese zurückgebliebenen Geister an dem Menschen getan haben, gegenüber dem, was die erhabenen Gewalten an ihm taten, im trivialen Sinne als etwas Schlechtes zu bezeichnen? Nein, durchaus nicht. Wenn wir uns die Tatsache vorhalten, die der hellseherische Blick prüfen kann, dann finden wir, daß sie in Wirklichkeit sogar die Entwickelung des Menschen beschleunigt haben. Der Mensch hätte mit der Ausbildung gewisser Fähigkeiten bis zum allerletzten Zeitpunkt warten müssen, während er sie dadurch früher erlangt hat.

So erhielt der Mensch durch die luziferischen Wesenheiten vor der Zeit, die ihm zugedacht war, gewisse geistige Fähigkeiten und wurde so auf eine gewisse geistige Stufe hinaufgehoben. Das ist nichts Schlimmes, sondern so sonderbar es auch erscheinen mag, sogar etwas, was im höheren Sinne eine unendlich weise Führung in der Fortentwickelung der Menschheit bedeutet. Denn dadurch, daß der Mensch auf einer niedrigen Stufe gewisse Fähigkeiten erlangt hat, die ihm sonst erst in der Mitte der atlantischen Zeit zugedacht waren, trat er diesen Fähigkeiten in einer ganz anderen, selbstbewußten, freien Weise entgegen. Der Mensch wäre bis zur Mitte der atlantischen Zeit am Gängelbande geführt worden, wenn diese zurückgebliebenen

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Wesenheiten nicht eingegriffen hätten.

Wie müssen wir daher ihr Zurückbleiben auffassen? Bei oberflächlichem Denken könnte man es leicht so auffassen, als ob sie zurückgeblieben wären, wie der Schüler im Gymnasium sitzen bleibt. Aber jene Geister sind nicht zu­rückgeblieben wegen ihrer Trägheit, sondern der Grund ihres Zurückbleibens war Opferwilligkeit. Um dem Menschen die Möglichkeit zu geben, die Gabe der Geister der Form in einer höheren, freien Weise zu empfangen, opferten sie sich.

Wir haben einen langen Zeitraum menschlicher Entwickelung, wo der Mensch durch diese luziferischen Wesenheiten die Anfänge erhalten hat von Sprache, von Denken, namentlich von denkerischem Gedächtnis, wo er die Keimanlage zu Kunst und Wissenschaft erhalten hat. Alles das würde er, da er nur eine instinktive Tätigkeit sonst gehabt hätte, vorher nicht erlangt haben.

Allerdings wurde dadurch auch etwas anderes, das sonst durch die Leitung der Geister der Form unabhängig von dem Menschen gewesen wäre, nun in seine Macht, in seine Gewalt gegeben: der Mensch wurde ausgesetzt dem Guten und dem Bösen; abzuirren vom rechten Wege, dem wurde er dadurch ausgesetzt. Ohne das Eingreifen der luziferischen Wesenheiten wäre er nie dem Guten und Bösen ausgesetzt worden, aber es wäre auch um seine Freiheit geschehen gewesen. Dadurch, daß diese Wesenheiten ein Stück der Entwickelung in eine Vorzeit hinaufgerückt haben, dadurch haben sie dem Menschen die Freiheit gegeben. Wir alle tragen in uns den Samen der Wirksamkeit dieser luziferischen Geister.

Wir müssen also sagen: In der Mitte der atlantischen Zeit sind die Geister der Form heruntergestiegen, jene Geister, die ihre Entwickelung so weit vollendet hatten, daß sie dem Menschen abgeben konnten das, was sie selbst hatten: in dieser Zeit erst würde der Mensch seine völlige Keimanlage zum Ich erreicht haben, wenn nur sie tätig gewesen wären. Nun aber sind von einem früheren Zeitpunkt an die luziferischen Wesenheiten tätig gewesen, sie haben die Entwickelung um ein bedeutsames Stück beschleunigt - nach der einen Seite herauf, nach der anderen herunter. Dadurch ist etwas anderes, Wichtiges eingetreten.

Hätte sich der Fortschritt ohne die luziferischen Wesenheiten vollzogen, dann hätte der Mensch in der Mitte der atlantischen Zeit einen gewissen Zustand,

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aber ohne die Möglichkeit der Freiheit erlangt. Ohne sein Verdienst wäre er reif geworden, die Gabe der Geister der Form zu empfangen. Da nun die luziferischen Wesenheiten ihn früher reif gemacht, war nach der anderen Richtung hin eine gewisse Verschlechterung eingetreten, und dadurch konnten in diesem Zeitpunkte nicht alle Kräfte der Geister der Form, nicht alle höheren Sonnengewalten auf ihn einwirken.

Das schließt ein Wichtiges in sich. Wäre der Mensch ohne Freiheit, daher auch ohne sein Verdienst, bloß wie durch einen geistigen, höheren Instinkt in der Mitte der atlantischen Zeit angekommen, er hätte die Reife gehabt, daß schon damals jenes Prinzip auf die Erde heruntergestiegen wäre, das wir das Christus-Prinzip nennen: dann wäre der Christus schon damals erschienen.

So aber war die Freiheit des Menschen gegeben, der Mensch dadurch unter seine instinktive, normale Entwickelungsstufe heruntergedrängt worden, und die Folge war, daß er jetzt erst durch sich selber heranreifen mußte: so daß er also das Christus-Prinzip um dieselbe Zeit später empfangen konnte, als vorher die luziferischen Wesen eingegriffen hatten. Wir müssen uns klar sein darüber, daß das Herabsteigen und Wirken des Christus durch das Eingreifen der luziferischen Wesenheiten verzögert worden ist. Dadurch aber waren auch die Menschen in einer reiferen Form, als der Christus niederstieg.

So sehen wir, daß diese Wesenheiten es sind, die den Menschen zu dem gemacht haben, was er heute ist, die ihn vorbereitet haben auf den großen Zeitpunkt des Niederstieges des Christus-Prinzips. Sie haben sich gleichsam gesagt: Lassen wir den Menschen so, daß er in die atlantische Zeit nur instinktiv hineinlebt, dann empfängt er auch das Christus-Prinzip instinktiv, dann ist er nicht frei, nicht in Freiheit reif. Wir opfern uns und bilden in ihm gewisse Fähigkeiten aus, gewisse Eigenschaften, und verzögern den Zeitpunkt, wo er des Christus ansichtig werden kann.

Genau ebenso lange vor der Mitte der atlantischen Zeit haben die luziferischen Wesenheiten ihr Wirken begonnen, als nach diesem Zeitpunkte der Christus erschienen ist.

Wenn wir nun fragen: Was war der Anteil derjenigen Gewalten, die der Mensch schon hat empfangen können in der Mitte der atlantischen Zeit? - so müssen wir antworten: Es war etwas, was nur von außen

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herantreten konnte an den Menschen, wobei er noch nicht mit seiner eigenen Seele sein konnte. Deshalb war alles, was von den Gewalten, die schon früher wirken konnten, an den Menschen herankam, so, daß es nicht aus dem innersten Wesen des Menschen herausfloß: er folgte einem Äußeren, er gehorchte Gesetzen.

Geradeso wie auch das Tier seinen Gesetzen, die ihm eingepflanzt sind, folgen muß, ganz instinktiv, so gab Jehova den Menschen Gesetze. Das Gesetz gab er ihnen, das dann auch äußerlich realisiert wurde durch Moses und die Propheten. Mittlerweile aber reiften sie heran, um in sich selbst den Antrieb und Impuls zu dem zu empfangen, was sie tun sollten. Und so sehen wir, daß ohne das Zutun der Menschen ihre Ordnung auf der Erde vorbereitet wird durch die Gewalten [Geister der Form, Exusiai, hier: Jehova]. Wo wirken sie denn, diese Gewalten?

Sie wirken vorzugsweise da, wo, trivial ausgedrückt, das Blut redet: in der Fortpflanzung und in all dem, was damit zusammenhängt. Da haben wir in der alten Zeit Götter und Volksgeister, wir haben Gruppengeister, und innerhalb der Gruppen schaffen sie durch die Gesetzesordnung. Da liebt sich, was blutsverwandt ist, und es liebt sich, indem die Liebe durch Naturgesetze eingepflanzt ist. Und je weiter wir zurückgehen, desto mehr finden wir, daß sich alles das als zusammengehörig betrachtet, daß alles das sich liebt, was die Liebe durch Naturgesetze, durch äußere Formkräfte eingepflanzt bekommen hät.

Das Jehovaprinzip wirkte in dem gleichen Blut, daher das Zusammengehören. Da lebte und schaffte Jehova durch diese Verwandtschaft, die mit dem Blute zusammenhängt, Ordnung und Harmonie. Und diejenigen, die ihm entgegenwirkten, die ihre stärksten Angriffe gegen das Prinzip der Blutsverwandtschaft richteten, das waren die luziferischen Wesenheiten. Sie wollen immer den Menschen auf den Mittelpunkt seiner eigenen Persönlichkeit stellen, sie wollen ihn herausreißen aus seiner Blutsverwandtschaft bis zu der Zeit, wo Christus kommt und ihn ganz auf die Spitze seiner Persönlichkeit stellt, indem er seine innerste Kraft gibt, die Weisheit und Gnade zu dem innersten Impuls seines Wesens macht. Und das haben zubereitet lange, lange Zeiten hindurch die luziferischen Wesenheiten. Reif ist der Mensch geworden für das, was diese luziferischen Wesenheiten wollten, erst als Christus niedergestiegen ist. Die Bekenner solcher Anschauungen wußten

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wohl, was sie sagten, wenn sie den Ausspruch taten: Christus verus Luciferus, Christus ist der wahre Luzifer. - Das ist ein esoterischer Ausspruch.

Und so sehen wir, daß in der Tat immerfort zwei Prinzipien wirken in jener alten Zeit, die wir die vorchristliche nennen: immer ein durch Blutsverwandtschaft bindendes Prinzip und ein trennendes, das den Menschen auf die Spitze seiner eigenen Persönlichkeit stellen will. Und wir können nun sehen, wie die ganze Menschheit ausgestaltet wird unter dem Einfluß dieser beiden Prinzipien.

Denken wir uns ein gewisses atlantisches Menschenstadium, wo der Mensch schon entgegengeht seiner späteren Verhärtung in den Knochenleib hinein. Ich muß mich hier populär ausdrücken. Es mußte nun wiederum von seiten der leitenden Geister achtgegeben werden, daß die Knochen nicht zu schnell verhärteten. Es mußte in der atlantischen Entwickelung das Knochensystem während einer gewissen Zeit genügend weich bleiben, so daß es umgestaltet werden konnte.

Aber wir wissen, auf allen Stufen blieben Wesenheiten zurück. So blieben ziemlich spät dadurch Menschheitsgruppen zurück, daß sich das Knochensystem zu früh verhärtete. Da arbeiteten die Prinzipien so, daß das Formprinzip einen starken Sieg davontrug, indem es eine Gruppe von Menschen in der Form erhielt, in der sie war. Was mußte die Folge davon sein? Man kann wohl auf der Erde etwas verhärten, zurückhalten, aber die ganze Erdenentwickelung geht darüber hinweg, so daß, was so künstlich zurückgehalten wird, dann später Zeiten antrifft, zu denen es nicht mehr paßt.

Es kamen Zeiten, wo die Luft sich mehr vom Wasser gereinigt hatte, wo die klimatischen Verhältnisse anders geworden waren, da paßte das Stehengebliebene nicht mehr hinein. Solche Gruppen von Menschen, bei denen das Knochensystem sozusagen zuviel abgekriegt hatte, blieben dann als degenerierte Menschenrasse zurück. Sie konnten sich nicht mehr hineinfinden in die Verhältnisse der nachatlantischen Zeit; und die letzten Überbleibsel davon sind die amerikanischen Indianer. Sie waren degeneriert.

Und auch solche sind zurückgeblieben, bei denen nicht nur das Knochensystem zu früh verhärtet ist, sondern auch das System, das der Ernährung zugrunde liegt, das von den Kräften des Ätherleibes beherrscht wird, während das

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Knochensystem von den Kräften des physischen Leibes beherrscht wird. Die letzten Überbleibsel derjenigen Menschengruppe, bei denen [auch] das Ernährungssystem verhärtet ist, bilden heute die schwarze Rasse.

Und dann gibt es solche Menschen, die dadurch degeneriert sind, daß das Nervensystem auf zu früher Stufe verhärtet ist und nicht lange genug weich blieb, um zu einem höheren Gedankenwerkzeug tauglich zu werden, davon sind die letzten Überbleibsel die malayische Rasse. Daher finden Sie bei ihnen gewisse Triebe und Instinkte, gewisse Neigungen zu sinnlichen Instinkten.

Und endlich haben wir solche Menschen, bei denen auf einer gewissen Stufe das Ich im Blute, im äußeren Ausdruck des Ichs, verhärtet ist, wenn wir so sagen dürfen. Diese Menschen, die - symbolisch ausgedrückt - so im Blute verhärtet sind, haben ihre letzten Ausläufer in den Völkern der mongolischen Rasse.

Diejenigen Menschen aber, welche die eben genannten Elemente so weich erhielten, daß sie nicht bei irgendeiner Verhärtungsform stehen blie­ben, sondern sich immer weiter fortentwickeln konnten, so daß sie über das geschlossene Ich sogar noch hinauskamen, diese Menschengruppe ging von einem Punkt der Erdenentwickelung, auf den wir schon hingedeutet haben, im Atlantischen Ozean, in der Nähe des heutigen Irland, hinüber in diejenigen Gegenden, die das heutige Europa und Asien bilden.

Und wir finden folgende merkwürdige Tatsache: wir finden, daß vom atlantischen Kontinent aus förmliche Auswanderungszüge gehen. Und wir werden dies jetzt genauer betrachten, als das früher in anderen Zusammenhängen geschehen ist. Diese Züge bestanden aus solchen Menschen, welche im Knochensystem verhärtet waren und deren letzte Nachzügler bei der Entdeckung des amerikanischen Kontinents angetroffen wurden. Dann gab es Gruppen, welche nach Afrika, andere, die nach Asien gingen. Letztere waren diejenigen, die wir als die mongolische Rasse bezeichnet haben.

Die am letzten auswanderten, das waren diejenigen Menschen, die in der Nähe des heutigen Irland wohnten, und die sich am längsten schmiegsam erhalten hatten, die sich sozusagen am längsten im Paradiese erhalten hatten. Sie wanderten vom Westen nach dem Osten und ließen überall auf dem ganzen Umfange des europäischen Kontinents gewisse Völkerschaften zurück. Die Fortgeschrittensten

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wanderten nach Asien und vermischten sich dort auf mannigfache Weise mit denen, die auf anderen Wegen hinübergekommen waren.

Und nun denken wir uns einmal eine gar nicht so weit zurückliegende Zeit, als noch ein gewisses, allerdings sehr dumpfes Hellsehen vorhanden war, und die Eingeweihten noch einen großen Einfluß besaßen. Wenn da unter den Menschen ein Bewußtsein dieser Verhältnisse vorhanden war, wie mußte sich das äußern? Nehmen wir an, im alten Griechenland drüben fanden sie Völkerschaften vor, welche sich vor ihnen verhärtet hatten; dann fanden sie da unten noch eine andere Rasse, durch Mischung entstanden, die sich in einem noch früheren Zustande verhärtet hatte: so war es nämlich in der Tat im griechischen Bewußtsein.

Der Grieche, wenn er auf die Entwickelung bis zu sich selbst zurückschaute, sagte sich: Ich blicke nach Afrika, da finde ich in der ägyptischen Zeit schon vorgeschrittene Menschen, auf welche frühere Kulturepochen - die babylonische, chaldäische - schon gewirkt haben. Aber noch früher war auf diesem Boden eine Bevölkerung, unter der ein starkes Verhärtungselement war in bezug auf Eigenschaften, die ins Niedere, in das Ernährungsprinzip hinuntergehen. Und eine andere Stufe hatte sich später gebildet, als sie auf die asiatischen Auswanderer gestoßen waren. Und zu denen kamen diejenigen, welche sich selbst am längsten schmiegsam erhalten hatten.

Nun hat der Grieche in seinen plastischen Göttergestalten das idealisiert, was er über die Entwickelung des Menschen wußte und was er als ein Ergebnis der göttlich wirkenden Kräfte ansah. Er wußte, daß auf einer sehr frühen Stufe Menschenwesen sich verhärtet hatten, und daß andere sich die Weichheit und Schmiegsamkeit erhalten hatten. Dann sah er auf sich selbst. Er war zwar in bezug auf gewisse Dinge zurückgeblie­ben, aber er gehörte zu denen, die sich am längsten schmiegsam und bildsam erhalten hatten. Das alles sehen wir wunderbar hineingeheimnißt in die griechische plastische Kunst. Wer sie mit tieferem Blick verfolgt, der findet drei verschiedene Göttertypen:

  1. den Zeustypus, zu dem der ganze Kreis der Götter gehört, die sich um Zeus gruppieren;
  2. [109] einen Typus, der später dem Zeustypus angegliedert wurde, der aber im griechischen Bewußtsein in ganz anderer Form vorhanden war: in der Form des Hermes oder Merkur. Sehen Sie sich die Haarbildung beim Zeustypus an und dagegen das geringelte, gekräuselte Haar des Merkur, ferner die Augenbildung und die Ohrenstellung, da sehen Sie bald, daß der Grieche etwas anderes damit ausdrücken wollte, wenn man das auch später so dargestellt hat, daß es dem Zeustypus angegliedert wurde;
  3. den Fauntypus. Einer noch älteren Menschheit gehört dieser Typus an, und deutlich unterscheidet er sich von dem Merkurtypus.

Da haben wir, was der Grieche in seiner Art zum Ausdruck bringen wollte. Das, was im Süden von ihm war, das repräsentierte der Faun­typus. Was im Osten war, brachte er mit dem Hermestypus zusammen, und was er selbst war, was man als seinen eigenen Typus be­zeichnen könnte, diejenige Rasse, die den arischen Stamm begründet hat, das brachte er in dem erhabenen idealen Zeustypus zum Ausdruck.

Wer sehen will, kann in allen Formen sehen, wie fein der Grieche das, was in der äußeren Form lebt, den inneren Gestaltungskräften angepaßt hat. Nur an einer Kleinigkeit möchte ich zeigen, wie fein die griechischen Künstler in ihrem Bestreben sind, die großen Weltanschauungen in der Kunstform zum Ausdruck zu bringen. Denken wir uns einmal jenen asiatischen Typus, der in der Hermesgestalt festgehalten ist: Dieser Typus, weil er bei den niederen menschlichen Kräften stehengeblieben ist, wirkt so, daß die Kräfte, die in Betracht kommen, die ihm die Form des Gesichts geben, sozusagen in niederen Regionen der menschlichen Wesenheit walten.

Dagegen wirken diejenigen Kräfte, die dem Typus des Griechen selbst angehören, in höheren Regionen; das können Sie vor allen Dingen bei Zeus in der erhabenen Stirnbildung sehen.

Wir sehen, bis in die plastische Form hinein wirkte das eigentümliche Bewußtsein des Griechen, und wir begreifen, daß wir nur dann verstehen können, was im Laufe der Entwickelung geschaffen worden ist, wenn wir die wirkenden Kräfte verfolgen bis in die Art hinein, wie

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die Künstler die Augen gebildet haben. Nicht nur die feine Beobachtung des griechischen Künstlers sehen wir hier, sondern wie er in der besonderen Ausbildung dessen, was er schuf, wie er in der äußeren Form verwirklicht hat, was die inneren Formkräfte gestaltet haben. Wir erkennen, wie sich in den einzelnen Gestalten der griechischen Kunst - in den Gestalten der Mythologie - die Rassenbildung erhalten hat, und wie in dieser Kunst, selbst bei Kleinigkeiten, wie beim Auge, die geistig wirkenden Kräfte in eigenartiger Weise festgehalten sind.