Rudolf Steiner (1861-1925):
GA 138 Von der Initiation - Von Ewigkeit und Augenblick - Von Geisteslicht und Lebensdunkel
2. Vortrag München, 26. August 1912
Der Unterschied zwischen physischem Leib und Ätherleib ist im Kopf viel geringer als in den Händen. (Dort wirkt das Herzchakra.)
Anders als die großen Eingeweihten kann Christus nur auf der Erde und in seinem Erdenwirken verstanden werden.
Wir werden in diesem kurzen Vortragszyklus wichtige Angelegenheiten des geistigen Lebens zu besprechen haben, Angelegenheiten, die dieses geistige Leben im umfassendsten Sinne berühren. Wir werden zu sprechen haben über dasjenige, was zugrunde liegt der sogenannten Initiation oder Einweihung, und - nachdem wir auf einige Geheimnisse und Gesetze dieser Initiation werden hingedeutet haben - von der Bedeutung dessen, was ausstrahlt im Laufe der Menschheitsentwickelung für das Leben von der Initiation und von den Initiierten. Wir werden von allem, was da ausstrahlt, zu sprechen haben mit Bezug auf dasjenige, was man in die einander so entgegengesetzten Vorstellungen zusammenfassen kann: Ewigkeit und Augenblick, Geisteslicht und Lebensdunkel. Nachdem wir unter dem Gesichtspunkt, den uns diese Vorstellungen liefern werden, gewissermaßen das Leben des Menschen werden betrachtet haben, soll dann wieder zurückgekommen werden auf die Kraft der Initiation und auf die Kraft der Initiierten. Begrenzen also soll diesmal diese Betrachtungen das Prinzip der Initiation.
Ewigkeit - wir brauchen die Vorstellung nur anzuschlagen, und wir fühlen es, es klingt etwas in uns, was zusammenhängt mit den tiefsten Sehnsuchten der menschlichen Seele, mit dem Höchsten, das unter seinen Strebenszielen der Mensch benennen kann. Augenblick - ein Wort, das uns immer wieder hindeutet auf dasjenige, in dem wir eigentlich leben, und auf die Notwendigkeit, in diesem Augenblick, in dem wir leben, dasjenige aufzusuchen, was uns den Ausblick geben kann in das Land der Sehnsucht, in die Ewigkeit.
Man braucht sich nur zu erinnern, daß das tiefste Geheimnis seiner größten Dichtung Goethe in seinen «Faust» so hineingelegt hat, daß er den Faust gegenüber dem Augenblicke aussprechen läßt: «Verweile doch! du bist so schön!» und sich dann gestehen läßt: Wenn das Gesinnung der Seele werden kann, wenn es möglich ist, daß sich die Seele identifizieren könnte mit einem Geständnis, zum Augenblicke
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zu sagen: «Verweile doch! du bist so schön!», dann müßte sogleich das Geständnis für Faust folgen, daß er würdig wäre, dem Gegner des Erdenmenschentums, dem Mephistopheles, zu verfallen. Was mit der Empfindung, die aus dem Augenblicke quillt, zusammenhängt, hat ja Goethe zum eigentlichen Grundgeheimnis seiner größten Dichtung gemacht. So scheint es, als ob dasjenige, in dem wir leben, der Augenblick, ganz entgegengesetzt wäre dem, was wir als Ewigkeit bezeichnen und wonach die Menschenseele immer wieder und wieder lechzen muß, sich sehnen muß.
Geisteslicht - soviel wir theosophische Betrachtungen angestellt haben im Laufe der Jahre, wir haben erkannt, daß das Bestreben nach dem Geisteslicht überall das zugrunde liegend hat: den Menschen hinauszuführen aus dem Lebensdunkel. Und wieder können wir etwas aus einer der größten Dichtungen der Menschheitsentwickelung, aus dem «Faust» heraus fühlen: wie ein Dichter, wenn er eine große, in sich umfassende Seele schildern will, nicht umhin kann, sie auch herauskommen zu lassen aus dem Lebensdunkel. - Denn, was umwebt Faust im Beginne der Dichtung? Worin ist er ganz verstrickt? Im Lebensdunkel!
Und wie oft mußten wir es betonen, daß dieses Lebensdunkel für den Menschen eine so große Kraft und Gewalt hat, daß das Geisteslicht, wenn es ihn in unreifem Zustande trifft, auf ihn so wirken kann, daß es ihn nicht erhellt, daß es ihn blendet, daß es ihn betäubt. So kann es sich nicht nur darum handeln: Wie geht der Weg zum Geisteslicht, wo ist er zu finden? - sondern vor allem muß es sich darum handeln: Wie muß der Mensch den Weg der Seele wandeln, der ihn in richtiger Weise zum Geisteslicht führen kann? - Damit sind nur die Linien gezeichnet, die uns in diesen Vorträgen beschäftigen sollen, und wir stehen ja in einer solchen Phase unserer theosophischen Arbeit, daß wir nicht vom Anbeginn an die Dinge zu entwickeln brauchen, sondern vielfach an Bekanntes anknüpfen können.
Wenn das Wort Initiation, das sich uns so innig verbündet hat mit den Worten Ewigkeit und Geisteslicht, an uns herandringt, dann werden in der Seele lebendig alle die großen Menschen, welche wir im Laufe der Menschheitsepochen als die Initiierten kennen.
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Und mit ihnen werden auch diese Menschheitsepochen selber in unserer Seele erweckt, wie sie abgelaufen sind, wie die Menschen in ihnen lebten und wie das Licht aus den Initiationsstätten und von den Initiierten zu den Menschen strömte, um eigentlich das erst möglich zu machen, was die Impulse, die eigentlich treibenden Kräfte der Menschheitsentwickelung zu allen Zeiten gewesen sind.
Es würde viel zu weit führen, bei Gelegenheit einer solchen Besprechung immer zurückzuweisen in ausführlicher Weise auf das, was innerhalb der Erdenentwickelung geschehen ist, bevor jene so oft besprochene atlantische Katastrophe über die Erde hereingebrochen ist, welche das Antlitz unserer Erde vollständig verändert hat. Wir bekommen schon eine hinlängliche und ausreichende Vorstellung von dem, was da in Betracht kommt, wenn wir die nachatlantischen Zeiten ins Auge fassen und uns an die eigentümliche Konfiguration des Menschen erinnern, wie sie so verschiedenartig sich ausgeprägt hat im Folgelauf der Zeit.
Wir lassen unsern Blick zurückschweifen auf die tonangebende Kultur, wie sie sich angeschlossen hat, unmittelbar nachdem das Antlitz der Erde neugestaltet war durch die atlantische Katastrophe, und wir haben so oft mit Ehrfurcht zurückgewiesen auf dasjenige, was damals in der ersten Epoche der nachatlantischen Zeit die großen heiligen Lehrer der Menschheit gebracht haben an derjenigen Erdenstätte, an der später die indische Kultur sich entwickelt hat. Wir haben darauf aufmerksam gemacht, wie nur von unten nach oben aufschauen kann die Seele zu den hehren spirituellen Lehren, die damals durch Menschen-Individualitäten in die Welt gekommen sind, welche noch alle innere Größe in sich trugen derjenigen Menschen, die in der atlantischen Zeit den unmittelbaren Zusammenhang mit den göttlichen, mit den spirituellen Welten gehabt haben, wie das in den späteren Epochen der Menschheit nicht mehr möglich gewesen ist.
Wir haben darauf hingewiesen, wie das Erbe der heute nur noch für den Okkultisten zu erreichenden atlantischen Weisheit in der nachatlantischen Form in den uralt heiligen Lehrern der ersten nachatlantischen Kulturperiode gelebt hat, und wir haben darauf hingewiesen, wie das, was damals gelebt hat, wovon es keine
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Aufzeichnungen gibt außer in dem, was wir die Akasha-Chronik nennen, für den Menschen hinlänglich groß und bedeutend erscheint, wenn ihm die Nachklänge davon entgegenleuchten in der indischen oder überhaupt in der orientalischen Literatur. Die Höhe der Moralität, die Höhe der Spiritualität, die in diesen Schriften als der Nachklang uralter geistiger Lehren enthalten ist, können der gegenwärtigen Menschheit gar nicht einmal - insofern von äußerer Bildung gesprochen wird - voll zum Bewußtsein kommen. Am wenigsten kann das in denjenigen Ländern sein, welche vorbereitet worden sind zu ihrer gegenwärtigen äußeren Kultur durch das, was das Christentum in seinen verschiedenen Formen im Laufe der letzten Jahrhunderte hat leisten können. So fühlte sich die Seele von unten nach oben gerichtet, wenn sie zu all dem Großen, heute nur zu Erahnenden hinaufblickte, das selbst nur noch als ein Nachklang dieser uralten Spiritualität zu uns gekommen ist.
Wenn man die Sache so ansieht und sich vor allem dessen bewußt ist, was hier oft erwähnt worden ist, daß die Menschheit erst wieder in der siebenten, in der letzten Epoche der nachatlantischen Zeit - wir stehen jetzt in der fünften - dazu gelangen wird, aus dem Lebensdunkel heraufzuholen das Verständnis für das, was einmal am Ausgangspunkte der nachatlantischen Zeit gelebt hat und die Impulse gegeben hat für die menschheitliche Entwickelung, und wenn man bedenkt, daß die Menschheit wird heranreifen müssen bis zur letzten Epoche, um das in sich wieder zu fühlen und zu erleben, was damals erlebt und gefühlt worden ist, dann bekommt man aber auch ein Gefühl und eine Empfindung dafür, wie hoch das Prinzip der Initiation gewesen sein muß, welche die Impulse gegeben hat zu dieser uralt heiligen spirituellen Kultur der Menschheit. Und dann sehen wir, wie im Laufe der folgenden Epochen die Menschheit - ringend nach anderen geistigen Schätzen, nach anderen Schätzen des Erdendaseins - gleichsam immer weiter und weiter heruntersteigt, wie sie andere Formen annimmt, wie aber je nachdem, was die Zeiten fordern, die großen Initiierten aus der geistigen Welt heraus der Menschheit geben, was sie für ihre Kultur als Impulse für eine bestimmte Epoche nötig hat. Wir sehen dann vor unserem Blick auftauchen die Zarathustra-
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Kultur, die ganz andersartig ist, wenn wir sie in ihrem wahren Lichte betrachten, als die Kultur der heiligen Rishis; dann die ägyptischchaldäische Kultur; dann das, was in Griechenland die uralt heiligen Mysterien waren, wovon wir gestern in einem ganz anderen Sinne noch gesprochen haben, sehen überall hereinleuchten das Geisteslicht in das Lebensdunkel, wie es für die verschiedenen Zeiten notwendig ist.
Wenn wir uns jetzt einmal am Ausgange unserer Betrachtungen fragen: Welche Vorstellungen können wir uns von einem Initiierten bilden - es ist ja selbstverständlich, daß von einem so umfassenden Begriff namentlich im Beginne des Vortragszyklus zunächst nur Annäherungsbegriffe gegeben werden können, wir werden dann immer tiefer und tiefer in das Wesen der Initiation eindringen können -, so wird es zunächst notwendig sein, daß wir mancherlei von dem zusammennehmen, was wir bereits auf theosophischem Felde gehört haben.
Machen wir uns klar, daß zur völligen Initiation notwendig ist, daß der Mensch innerhalb seines physischen Leibes die Welt nicht so betrachtet, daß er durch seine Augen und die anderen Sinnesorgane die Welt um sich herum wahrnimmt oder durch seinen an das Gehirn gebundenen Verstand und durch das, was er seinen Orientierungssinn nennen kann, diese Welt oder irgendeine Welt, die ihn umgibt, sieht. Daß der Mensch sich auch nicht über diese Welten, wie es gewöhnlich der Fall ist, seine Begriffe bildet, sondern daß er in die Lage gekommen ist, durch das, was man nennen kann «außerhalb seines physischen Leibes Welten wahrzunehmen», in seinem Seelensein etwas zu haben, was ein übersinnlicher, ein geistiger Leib genannt werden mag, der in sich solche Wahrnehmungsorgane - aber höherer Art - hat, wie der physische Leib die Augen, die Ohren und die übrigen Wahrnehmungs- und Verstandesorgane hat. Welten sehen, ohne sich der Organe des physischen Leibes zu bedienen, das ist das, was man als eine zunächst nicht vielsagende, aber in ihrer Trockenheit zutreffende Definition des Initiierten geben kann. Und die großen Initiierten, welche die bedeutsamen Kulturimpulse im Folgelauf der Zeiten den Menschen gegeben haben, sie haben diese Unabhängigkeit vom Sinnenleibe und dieses Gebrauchen eines ganz
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anderen Leibes eben in einem höchsten Maße erreicht. Ich möchte nicht in Abstraktionen viel sprechen, ich möchte möglichst auch zur Exemplifizierung Konkretes anführen, möchte also heute als ein Beispiel für ein solches Leben außerhalb des Sinnenleibes in einer höheren, der Seele zugehörigen Organisation das Folgende anführen.
Wenn derjenige, der auch nur einige Schritte auf dem Wege zur Initiation gemacht hat, sich durch Selbstbesinnung klarmacht, was er eigentlich in sich und an sich erlebt, so kann er sich etwa das Folgende sagen: Zu dem ersten, was ich an mir erfahre, gehört, daß ich außer meinem sinnlichen, fleischlichen Leibe in mir habe einen feineren, nennen wir ihn ätherischen Leib, den wir so mit uns herumtragen, wie wir den physischen Leib im Erdensein herumtragen.
Wer die ersten Schritte zur Initiation hinauf macht, erlebt das zunächst so, daß er sich darin erfühlt, daß er dieses Erfühlen wahrnimmt, wie er auf anderer Stufe fühlt, was in seinem Blutsystem, in seinem Nervensystem lebt, oder was ersteht auf dem Boden seines Muskelsystems. Dieses innere Fühlen und Erleben ist ja da und das kann auch für den ätherischen Leib da sein. Insbesondere ist es dann nützlich für den Menschen, der auf den ersten Schritten zur Initiation ist, den besonderen Unterschied oder, man könnte auch sagen, die Beziehung zwischen dem Sich-Erfühlen, dem Sich-Erleben in dem elementarischen oder ätherischen Leibe und in dem physischen Leibe kennenzulernen. Man erlebt sich also in dem elementarischen Leibe, wie man weiß, daß man sein Blut, seinen Herzschlag oder seinen Pulsschlag in sich hat.
Um sich das klarzumachen, kann man diesen elementarischen Leib in Zusammenhang betrachten mit dem physischen Leibe, in den man ja mehr hineingewöhnt ist als in das, was man sich erst erringt auf dieser geistigen Wanderschaft. Man kann sich sagen: In dem elementarischen Leibe hast du einen Teil, der entspricht dem physischen Gehirn, alledem, was deinen Kopf ausmacht. Der Kopf, das Gehirn ist gleichsam herauskristallisiert aus dem ätherischen Leibe und in demselben so darin, daß man es vergleichen könnte mit einer Wassermenge und einem Stück Eis, das darin schwimmt, wenn man das Wasser mit dem ätherischen Leibe vergleichen wollte und das Eis mit dem aus dem ätherischen
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Leibe herauskristallisierten physischen Leibe. Aber man fühlt, man erlebt, daß ein inniger Zusammenhang ist zwischen dem, was man den Ätherteil des Kopfes oder des Gehirns nennen kann, und dem physischen Kopfe selber. Man weiß dann, wie man seine Gedanken schafft, wie man seine Erinnerungsbilder bildet innerhalb des ätherischen Leibes und wie das physische Gehirn nur gleichsam ein Spiegelungsapparat ist, weiß aber auch, wie das Gehirn eng zusammenhängend ist mit dem ätherischen Leibe.
Insbesondere kann man das dann erleben, wenn man sich recht stark beschäftigen muß mit Anstrengungen, die zusammenhängen mit dem physischen Plan, mit dem physischen Sein, wenn man viel nachdenken muß über die Dinge, wenn man also seinen physischen Leib anstrengen muß, daß er heraufholt aus den Tiefen des Lebens die Erinnerungsvorstellungen, um sie zusammenzuhalten.
An einem solchen Vorgange ist immer zunächst, gleichgültig, ob man es weiß oder nicht, der ätherische Leib beteiligt. Aber es ist das physische Gehirn innig damit verbunden, und wenn man das physische Gehirn ermüdet, merkt man sehr, sehr die Ermüdung des Gehirns in dem betreffenden Ätherteile. Man merkt dann, daß man in dem, was man als elementarischen Gehirnteil erlebt, etwas wie einen Klotz, wie einen Fremdkörper hat, daß man nicht mehr herankann an das, woran man herankommen muß, denn die Beweglichkeit im physischen Gehirn ist etwas, was parallel gehen muß der Beweglichkeit im ätherischen Leibe. Man kann dann das deutliche Gefühl haben: Dein Ätherleib ermüdet auch nicht, er könnte bis in alle Ewigkeit fort die Gedankenbilder zusammenschließen und heraufholen dasjenige, was du weißt; aber um es in der physischen Welt zum Ausdruck zu bringen, muß es sich spiegeln, und da versagt das Gehirn.
Der elementarische Leib ermüdet nicht. Gerade weil er immerfort tätig sein kann, verspürt er die Ermüdung des Gehirns um so mehr. Man merkt gleichsam, was da das Gehirn an versagenden Kräften produziert. Und wenn es einschläft und in die Dumpfheit der Ermüdung verfällt, kann man sich sagen: Jetzt mußt du aufhören, sonst würdest du dich krank machen.
Man kann nicht den Ätherleib abnutzen. Aber auf dem Umwege, daß man dem Gehirn übermäßige Dinge zumutet,
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kann man fortfahren, es noch weiter zu ermüden und es so in einen lebenversagenden, toten Zustand bringen. Und das verträgt ein lebendiger Organismus nicht, daß etwas, was mit ihm in einem normalen Zusammenhange sein soll, partiell tot ist, daß es in einen abnormen Zustand kommt. Also man muß sich aus einem freien Entschluß sagen: Damit du nicht etwa abtötest einen Teil deines Gehirns, der dann von sich aus weiterfrißt, mußt du aufhören, wenn du dein Gehirn als ein Stück Fremdkörper in dir selbst empfindest.
So ist das Erleben, wenn man das Verhältnis aufsucht zwischen demjenigen, was im menschlichen elementarischen oder ätherischen Leibe entspricht dem Gehirn oder dem Kopfe, und dem physischen Gehirn oder physischen Kopfe selber. Da ist ein inniger Zusammenhang. Es verläuft das äußere Sinnensein in der Tat so, daß es unmöglich ist, den Parallelismus zwischen beiden in übergroßem Maße zu durchbrechen. Man möchte sagen, wenn man dieses Verhältnis ausdrücken will: In unserm Kopfe, namentlich in unserm Gehirn haben wir einen recht treuen Ausdruck der Ätherkräfte, haben wir etwas, was in seiner äußeren Erscheinung und in seinen äußeren Funktionen wirklich ein treues Abbild ist der Funktionen und der Vorgänge in dem entsprechenden Ätherteil.
Anders ist das für andere Organe des menschlichen elementarischen oder ätherischen Leibes und die entsprechenden physisch-sinnlichen Organe. Da sind die Dinge ganz anders. Ich will ein Beispiel anführen.
Nehmen wir einmal die Hände. Geradeso wie dem Kopf oder dem Gehirn ein Ätherteil, ein elementarischer Teil in dem elementarischen Leibe entspricht, so entsprechen auch den Händen elementarische, ätherische Vorgänge des menschlichen Ätherleibes. Aber zwischen den äußeren physischen Händen und ihren Aufgaben und dem, was eigentlich dem zugrunde liegt in dem entsprechenden elementarischen oder ätherischen Teil, ist ein viel größerer Unterschied als zwischen dem physischen Kopfe und dem entsprechenden Teile in dem menschlichen elementarischen Leibe. Was die Hände tun, ist viel mehr bloß in der Sinneswelt verlaufend, ist viel mehr bloß eine sinnliche Verrichtung, und was die dazugehörigen elementarischen oder ätherischen Organe tun, findet nur zum
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allergeringsten Teile in dem, was physisch in den Händen zum Ausdruck kommt, seine Offenbarung. Ich muß, wie man das oftmals muß, um die entsprechenden Tatsachen zu charakterisieren, allerdings Dinge sagen, die für ein physisches Empfinden und für ein In-Worte-Fassen von physischen Beobachtungen grotesk und paradox erscheinen, die aber doch dem Tatbestand, der hier zugrunde liegt, völlig entsprechen und die jeder, der etwas über die Dinge weiß, unmittelbar so empfinden wird, wie ich es auszusprechen habe.
Den physischen Händen entsprechen elementarische Teile. Aber abgesehen davon, daß in den Händen, in den Bewegungen das zum Ausdruck kommt, was dem elementarischen Teile entspricht, sind diese ätherischen Organe innerhalb des Ätherleibes wahrhaftige Geistorgane. Ein höheres, viel intuitiveres, geistigeres Tun wird verrichtet in den Organen, die in den Händen und ihren Funktionen zum Ausdruck kommen, als durch das Äthergehirn. Wer auf diesem Gebiete Fortschritte gemacht hat, wird sagen: Ja, das Gehirn, auch das ätherisch zugrunde liegende, ist eigentlich das ungeschickteste geistige Organ, das der Mensch an sich trägt. Denn sobald man sich betätigt in dem elementarischen Teile des Gehirns, hat man verhältnismäßig sehr bald diesen Fremdkörper des Gehirns zu spüren. Diejenigen geistigen Verrichtungen aber, die gebunden sind an die Organe, die den Händen zugrunde liegen und einen unvollkommenen Ausdruck in den Händen und ihren Funktionen gewinnen, dienen zu weit höherem, geistigerem Erkennen und Beobachten; diese Organe führen schon in übersinnliche Welten und können sich beschäftigen mit der Wahrnehmung und mit der Orientierung in den übersinnlichen Welten. Drückt man als geistiger Schauer einen solchen Tatbestand aus, so muß man - etwas paradox, aber eben zutreffend - sagen: Das menschliche Gehirn ist das ungeschickteste Organ als Forschungsorgan für die geistige Welt, und die Hände - was ihnen geistig zugrunde liegt - sind viel interessantere, viel bedeutungsvollere Organe für die Erkenntnis dieser Welt, vor allen Dingen viel geschicktere Organe als das Gehirn.
Auf dem Wege zur Initiation lernt man gar nicht sonderlich viel, wenn man von dem Gebrauch des Gehirnes zum freien Gebrauch des elementarischen Gehirnes
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vordringt. Der Unterschied ist nicht besonders groß zwischen dem, was man erreicht durch ein geläutertes intuitives Gehirndenken und durch ein reguläres geistiges Erarbeiten in dem elementarischen geistigen Ebenbild des Gehirns. Aber ins Große wächst der Unterschied zwischen dem, was in der Welt die Hände verrichten, und dem, was mit demjenigen elementarischen Teile zu verrichten ist, der ebenso geistig zugrunde liegt den Händen wie das ätherische Gehirn dem physischen. Und nicht viel braucht man auszubilden auf dem Wege zur Initiation in bezug auf das, was dem Gehirn entspricht, denn das ist kein besonders wichtiges Organ. Aber was den Händen zugrunde liegt, das hängt zusammen - wie Sie es beschrieben finden in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» - mit der Tätigkeit der Lotosblume in der Herzgegend, die aber dann ihre Kraftstrahlen so ausstrahlt, daß sie die Organisation bilden, welche in unvollkommener Weise auf der Stufe, auf welcher der Mensch als physischer Mensch steht, in den Händen und ihren Funktionen dasteht.
Wenn man zu einer solchen Sache aufrückt und sich eine Vorstellung machen kann von dem großen Unterschied, der besteht zwischen dem bloßen Gebrauch der physischen Hände und demjenigen, was man sich erarbeitet in bezug auf eine Übersinnliche Welt durch die viel geschickteren elementarischen Organe, welche den Händen zugrunde liegen, als es die elementarischen Organe des Gehirnes sind, dann bekommt man einen lebendigen Begriff von dem Sich-Hineinleben in die Initiation, von dem Reicherwerden des Menschen.
Man wird nicht dadurch erheblich reicher, daß man fühlt: Dein Hirn will ausstrahlen und fühlen den Ätherteil des Gehirns. Das ist der Fall, aber es ist nicht das eigentlich tonangebende, bedeutsame Erleben. Das bedeutsame Erleben beginnt damit, daß man auch andere Partien sich ausdehnen und einen Zusammenhang mit der Welt sich erschaffen fühlt. Und wenn das auch paradox ist, so ist es doch so, daß man sagen kann: Das ungeschickteste Organ zum geistigen Forschen ist das Gehirn, denn es ist das am wenigsten ausbildungsfähige. Dagegen eröffnen sich ganz andere Perspektiven, wenn man die anderen scheinbar untergeordneten Organe berücksichtigt.
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So findet eine völlige Umwandlung mit dem statt, was der Mensch in sich erlebt, wenn er aufsteigt die ersten Schritte hinauf zu den Höhen der Initiation, und notwendig ist es, daß man sich zum Bewußtsein bringt, daß man dieses als innere Umwandlung der menschlichen Persönlichkeit so erfaßt, wie sonst auch das Prinzip der Entwickelung in der Welt ist, so daß das eine in das andere übergeht und man - wenn es vielleicht auch nicht ganz sachgemäß ist - das Spätere das Vollkommenere gegenüber dem Früheren nennt. Wenn man an dem Gang der Entwickelung sich klarmacht, wie das eine ins andere sich verwandelt, wie der Keim der Pflanze sich umwandelt und zu Blättern, Blüte und Frucht wird, dann kann man sich sagen: Die menschliche Persönlichkeit findet auch so etwas, was sie ist und was sie werden kann, durch die Mittel, die angegeben sind in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» und die die ersten Anfänge zu dem sind, was dann auch in die höchsten Regionen der Initiation hinaufführt.
Es ist gut - und Sie werden sehen, daß es gut ist -, sich so eine lebendige Vorstellung davon hervorzurufen, wie die Menschen, die im Spirituellen Führer sein sollen im Folgelauf der Zeiten, sich innerlich umwandeln, wie das, was erst veranlagt ist im Menschen und sich so unvollkommen zeigt wie die Hände gegenüber den anderen Organen, sich verwandelt, was der Mensch äußerlich nicht bemerkt; dafür wird er aber innerlich um so bedeutungsvoller ein anderer. Daß so in der Welt etwas enthalten ist, wie es vorhanden ist für den, der etwa blind ist und nicht sehen kann, was man sonst mit den Augen sieht, was erst in Erscheinung tritt, wenn das Auge da ist, so ist die Welt des Spirituellen um uns herum vorhanden. Aber wir müssen ihr entgegenbringen, was wir selbst ihr entgegenbringen können, damit uns das entgegenkommt, was spirituell in der Welt enthalten ist.
Innerhalb der verschiedenen Menschheitsepochen muß nun einströmen in den Gang der Entwickelung als Impulse das, was so gegeben werden kann durch ein Sich-Hineinleben in die geistigen Welten. Das lag immer dem zugrunde, was von den Mysterien, von den Initiationsstätten ausgegangen ist. Man stellt sich richtig den Gang der Menschheitsentwickelung vor, wenn man sich hinter dem, was
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äußerlich wahrnehmbar ist, als die eigentlich treibenden Kräfte und Individualitäten die großen Initiierten vorstellt. Wie der Zusammenhang ist zwischen dem, was diese großen Initiierten zu tun haben, und dem, was dann äußerlich in der Welt geschieht, das ist vielfach erst durch Theosophie oder Okkultismus überhaupt durchschaubar.
Für das äußere, rein geschichtliche, rein gelehrte Erkennen ist es so, daß man eigentlich nur sieht: Da verläuft die Menschheitsgeschichte, da verläuft die Menschheitsentwickelung. Aber man sieht nicht die treibenden Kräfte, die dahinter sind. So verfolgt man in der äußeren Geschichte wie eine Kette von Erscheinungen, bei der sich Glied an Glied anreiht, was äußerlich aufeinander folgt. Daß aber an einer gewissen Stelle der Kette Einschläge aus einer ganz anderen Welt kommen, auf dem Umwege der Initiation kommen, das ist das, was wir - aus Gründen, die auch schon erörtert worden sind - durch die theosophische Erkenntnis in uns aufnehmen können. So erblicken wir theosophisch gerade das Innerlichste in dem Folgelauf der Zeiten, dasjenige, was dann doch auch für die ganze Signatur, für den ganzen Charakter der Entwickelung am meisten zugrunde liegt. So empfinden wir die Religionen, die Vielgestaltigkeit der religiösen Entwickelung als einen Ausfluß der Initiierten, empfinden, wie die Impulse aus den Initiations- und Mysterienstätten herausfließend in das allgemeine Leben der Menschheit übergehen.
Wer die Entwickelung der Menschheit so betrachtet, der kommt ganz selbstverständlich - und beim wahren Okkultismus war das immer der Fall - nicht zu einer irgendwie gearteten, von vornherein angenommenen Bevorzugung der einen Religion vor der anderen. Es gehört zu den allerersten Erfordernissen der Initiation, alle jene Vorurteile, alle jene Vorempfindungen und Vorgefühle abzustreifen, welche in der Menschenseele dadurch erwachsen, daß sie in irgendein Religionssystem, in irgendeine Religionsgemeinschaft hineininkarniert ist. Sorgfältig muß die Selbsterziehung darüber wachen, daß nichts mehr in der Seele sitzt, was der einen Religion den Vorzug geben könnte vor der anderen. Mit völliger Unbefangenheit muß gegenübergestanden werden dem, was Inhalt der verschiedenen Religionen ist, die im Laufe der Menschheitsentwickelung durch die
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Initiation als Impulse in die Entwickelung hineingestellt worden sind. Sobald man eine Vorliebe hat für die eine oder andere Form, bildet sich sogleich etwas wie ein astralischer Nebel, durch den man keinen freien Ausblick haben kann. Wer noch aus der ja für das gewöhnliche Leben selbstverständlichen Zuneigung eine vorurteilsvolle Bevorzugung der einen Religion in der Seele hat, der wird ganz gewiß nicht die anderen Religionen verstehen können, denn er wird in sich fühlen, wenn er auch nichts davon weiß, das Vorherrschen des einen Teiles der Initiationsinhalte und wird nicht zu einer vorurteilsfreien Erkenntnis des anderen Teiles kommen. So ist es für eine okkulte Betrachtung ganz selbstverständlich, in unbefangener Weise allen verschiedenen Ausflüssen und Impulsen aus den Initiationen gegenüberzustehen. So wenig wie jemand, der eine Pflanze betrachtet und der Blüte den Vorzug vor der Wurzel gibt, sich ein objektives Urteil über den ganzen Bau der Pflanze schaffen kann, so wenig kann derjenige ein richtiges Urteil gewinnen, der die Religionen nicht in völlig gleicher Unbefangenheit betrachten kann.
Wir werden über die Anforderungen, welche die menschliche Seele an sich stellen muß, wenn sie die ersten Schritte zur Initiation macht, gerade in diesen Vorträgen sprechen. Zunächst wollte ich ein Gefühl dafür hervorrufen, wie die Initiation zum Leben steht und namentlich wie die verschiedenen Initiationsstätten und Initiationsimpulse zu der fortlaufenden Menschheitsentwickelung besonders in der nachatlantischen Zeit stehen.
Nun aber erlebt eine okkulte Forschung, wenn sie diesen Gang der Menschheitsentwickelung dUrchmacht, etwas höchst Eigentümliches, was man nur im richtigen Maße verstehen, einschätzen wird, wenn solche Worte ehrlich und aufrichtig verstanden werden, wie sie eben ausgesprochen worden sind von der Gleichbedeutung der Religionen. Wenn solche Worte zur Selbstverständlichkeit geworden sind, dann erlebt man etwas ganz Eigentümliches, was uns gerade in diesen Vorträgen immer klarer und klarer werden soll.
Man richte den Blick auf die die Menschheit im Laufe der Zeiten erleuchtenden Initiierten hin. Der Mensch, der zunächst in der Sinneswelt steht, kann, hinblickend auf die Initiierten, wenn sie als
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historische Gestalten überliefert sind, sich sagen: Das sind die großen Gestalten der Weltgeschichte. Wo es wichtig war, hat die Historie dafür gesorgt, daß man möglichst wenig von diesen Gestalten weiß.
Nun mag es wieder paradox erscheinen, wenn gesagt wird: es ist ungeheuer gut, daß die Menschheit so wenig zum Beispiel von Homer weiß, denn dadurch kann die äußere Blüte der Gelehrsamkeit das Bild des Homer doch nicht so entstellen, wie dies bei den anderen Persönlichkeiten der Fall sein kann. Bei Goethe wird das erst einmal der Fall sein, wenn er - was man ja so recht herbeisehnen kann - eine so unbekannte Persönlichkeit sein wird, wie es jetzt Homer ist. Die Menschenseele kann in der äußeren Welt hinschauen auf diese Gestalten und sieht dann, was diese in der äußeren Welt getan haben. Dann kann der Mensch selber die ersten Schritte zur Initiation machen und so vorgehen, daß er auf die großen Gestalten der Initiation - einen Buddha oder einen Zarathustra - den Blick hinrichtet, sich erinnert, was ihm Buddha oder Zarathustra war in der Sinnes- welt, was er dort für einen Eindruck von diesen Menschheits-Individualitäten empfangen hat, und kann sich dann fragen, wenn auf dem Wege zur Initiation einiges von dem Geisteslicht in ihn hereingebrochen ist: Wie erscheint mir jetzt Buddha, wie erscheint mir jetzt Zarathustra? - Er wird sich dann sagen: Jetzt erkenne ich mehr von Buddha, von Zarathustra; ich weiß etwas, was ich noch nicht wissen konnte, als ich in der Sinneswelt stand.
DDann kann sich der Mensch noch weiterentwickeln, und es kommt dann die Stufe, auf welcher er noch besser einsehen wird, was diese Erscheinungen als geistige Wesenheiten sind. Einen Buddha, einen Zarathustra wird man immer mehr und mehr erkennen, je mehr man sich selbst in das Geisteslicht hineinlebt, bis dann eine gewisse Grenze kommt, wo das abbricht. Es ist das eine geheimnisvolle Erscheinung, auf die aber jetzt nicht eingegangen zu werden braucht. Es genügt, wenn gesagt wird: wenn es gegen die höheren Welten zu geht, kann das abbrechen. So ist es gegenüber allen Initiierten, die uns in der Weltentwickelung entgegentreten.
Es kann leicht der noch nicht sehr weit fortgeschrittene Geist [in seinem] Erkennen über diese Verhältnisse sich täuschen; das macht nicht viel aus. Denn es kann vorkommen, daß irgendeine
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Menschen-Individualität, die in der Vorzeit als geistiger Schauer sehr hoch gestanden hat, später wieder verkörpert ist und scheinbar heruntergestiegen ist von ihrer früheren geistigen Höhe. Die wahre Tatsache ist nur die, daß innerhalb der Menschheitsentwickelung Dinge zu verrichten sind, wo solche, die schon Initiierte waren, hineinverkörpert sind als Uninitiierte, um Taten zu verrichten, für die sie durch die Zeitverhältnisse nötig sind, so daß die Initiation, die sich für eine oder mehrere Inkarnationen verbirgt, hineinwirken muß in eine gewisse Arbeitsweise. Da können dann über solche Individualitäten, wie sie uns da oder dort in ihrem äußeren Lebenslauf entgegentreten, um selbst ihren Weg zu machen, sehr leicht Täuschungen entstehen, und man kann sich über sie ganz falsche Vorstellungen machen. Die werden aber nach und nach im Laufe des Fortschreitens korrigiert werden müssen. Deshalb bleibt es doch richtig, daß die Stellung des Menschen zu den Initiierten im allgemeinen eine solche ist, daß er sie immer mehr und mehr kennenlernt, je mehr er selbst die Stufen hinaufschreitet, die ihm das Geisteslicht zugänglich machen. Nur eine merkwürdige Erscheinung finden wir in der Aufeinanderfolge der Menschheitsepochen.
Was ich Ihnen eben gesagt habe von dem manchmal beirrenden Wiedererscheinen der Initiierten, so daß man glauben könnte, sie seien heruntergestiegen von ihrer Höhe, dafür könnte ich Beispiele anführen, und wahrscheinlich würden Sie im höchsten Grade erstaunt sein, wenn ich Ihnen sagte, in welcher Weise zum Beispiel Dante im 19. Jahrhundert wieder inkarniert war. Aber ich habe hier nicht die Aufgabe, das, was für mich selbst ein Forschungsergebnis war und was für mich selber feststeht, jetzt weiter zu besprechen, sondern die Dinge, die alle kennen, welche im Okkultismus bewandert sind, beweiskräftig vorzubringen, alles andere zurücktreten zu lassen und nichts anderes vorzubringen, als was allgemein anerkannt ist da, wo echter Okkultismus vertreten ist.
Eine andere merkwürdige Erscheinung zeigt sich uns aber, die man am besten so aussprechen kann: Es tritt uns eine Individualität entgegen, bei der es keinen Sinn hat davon zu sprechen, daß sie so initiiert worden sei wie die anderen Initiierten, daß zwar durch sie das Prinzip der Initiation
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objektiv in der Welt vor uns steht, daß es da ist, daß es aber sinnlos wäre, davon zu sprechen, diese Individualität wäre auf der Erde so initiiert worden wie die andern Initiierten im Laufe der Menschheitsentwickelung. Ich habe die Tatsache oftmals berührt. Es gehört ein gewisser Grad von Mißverständnis dazu, diese Tatsache als aus einem spezifisch christlichen Vorurteil heraus herrührend aufzufassen. Wahrhaftig nicht aus einem irgendwie christlichen Vorurteil heraus, sondern weil sie gesagt werden muß als ein objektives okkultes Forschungsergebnis, soll es gesagt sein.
Diese eine Individualität, die nicht initiiert worden ist wie die anderen Initiierten, sondern bei der es völlig sinnlos wäre, davon zu sprechen, daß sie so durch die Initiation durchgegangen wäre wie die anderen Initiierten, diese Individualität ist eben der Christus Jesus! Und ebensowenig - das sei hier noch einmal wie früher schon betont - wie der eine Waage begreifen kann, der da sagt, daß die Waage an zwei Punkten aufzuhängen wäre anstatt an einem, da es zum Wesen der Waage gehört, daß sich der Waagebalken um einen Punkt dreht, ebensowenig wie der ein Mechaniker ist, der behaupten würde, man solle die Waage an zwei oder mehreren Punkten aufhängen, was kein sachverständig`er Mechaniker sagen könnte, ebensowenig ist der kein sachverständiger Okkultist, der die Ansicht vertreten wollte, daß zu unserer Erdenentwickelung nicht nur ein Unterstützungspunkt, ein Hypomochlion, ein Festes gehöre. Ich sagte, daß dies ein objektives okkultes Forschungsresultat ist, das jeder anerkennen kann, gleichgültig ob er Buddhist oder Mohammedaner ist.
Wer gewisse Schritte in der okkulten Entwickelung gemacht hat, lernt die Initiierten kennen, insofern sie große Persönlichkeiten sind oder Taten getan haben; er lernt sie kennen in den geistigen Welten, wenn er gewisse Stufen zur Initiation hinaufrückt, und er lernt sie noch mehr kennen, wenn er dann noch weiter aufrückt. Nehmen wir zum Beispiel an, es habe jemand in seinem Erdenleben keine Gelegenheit gehabt, den Buddha kennenzulernen; denken wir uns, er habe sich nicht mit ihm beschäftigt. Ich kenne Leute, die tief eingedrungen waren in das ganze abendländische Leben, die aber keinen blassen Begriff hatten von dem Buddha; von ihnen kann man sagen,
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daß sie sich innerhalb der physischen Welt, innerhalb ihres Leibesdaseins nicht beschäftigt haben mit dem Buddha. Oder nehmen wir Menschen, die sich in ihrem Erdendasein nicht beschäftigt haben mit den Größen der chinesischen Religion, und denken wir uns nun, es hätten diese Menschen durch die Initiation die überphysischen Welten betreten, oder - von einigen weiß ich das - daß sie sie betreten haben nach dem physischen Tode: da können sie kennenlernen, weil sie ihnen begegnen, den Buddha, den Moses, den Zarathustra als Geisteswesen und können sich Kenntnis, ein Wissen von ihnen aneignen. Da ist es ihnen kein Hindernis, wenn sie sich von diesen Persönlichkeiten ein Wissen aneignen wollen, daß sie auf der Erde dazu keine Gelegenheit hatten.
Das ist anders bei dem Christus, und ich bitte Sie, dieses als eine rein okkulte Tatsache hinzunehmen. Man nehme an, daß sich jemand hier auf der Erde keinen Zusammenhang geschaffen habe in irgendeiner Inkarnation, die er schon erlebt hat, mit der Christus-Wesenheit. Dann ist ihm das, wenn er in einer außerphysischen Welt wahrnimmt, ein Hindernis, um in den höheren Welten den Christus zu finden; dann kann sich ihm der Christus nicht in der reinen Gestalt darstellen! Es gehört zur Erkenntnis, zum Erschauen der Christus-Wesenheit in den höheren Welten, daß man sich auf der Erde dazu vorbereitet hat! Das ist der okkulte Unterschied in dem Verhältnis des Menschen zu dem Christus und zu den anderen Initiierten. Das Christus-Ereignis ist ein solches, daß ein Spezifisches in seiner wichtigsten Phase eben gerade der physischen Erdentwickelung angehört, daß es hereinstrahlte in die physische Erdentwickelung und für diese den Gleichgewichtspunkt bildet.
Man möchte sagen: Nehmen wir an, die Erde würde von denjenigen Wesen, die sich als Menschenseelen ausleben, zunächst nicht berücksichtigt. Es wäre durch irgend etwas im Weltenverlaufe geschehen, daß die Menschenseelen gesagt hätten: Wir berücksichtigen die Erde nicht; warum sollen wir uns da unten inkarnieren? - Es ist das natürlich eine unmögliche Tatsache, aber nehmen wir an, es wäre so. - Diese Menschenseelen würden dann, insofern das, was zur Erde gehört, geistig ist, es auch erleben können in den geistigen Welten,
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und was als hehre, große Prinzipien in den Initiierten wirkte, wäre erschaubar in den höheren Welten.
Wollte nun eine solche Seele in den höheren Welten die Frage richten - sagen wir an den Weltenverlauf: Ich will von all den Wesen, die da in den höheren Welten sind, dasjenige genau kennenlernen, seiner eigentlichen Weltmission und seiner eigentlichen Aufgabe nach genau kennenlernen, das der Christus ist -, dann müßte einem solchen Menschenseelenwesen die Antwort werden: Wenn du dieses eine Wesen, das der Christus eben für uns ist, kennenlernen willst, dann mußt du dich auf der Erde inkarnieren, dann mußt du mitmachen in irgendeiner Weise das Mysterium von Golgatha, um eine Beziehung zu dem Christus-Wesen zu gewinnen! Denn das Christus-Mysterium mußte sich nach den Weltgesetzen auf der Erde abspielen. Die Erde ist der Schauplatz, wo sich nach den Weltgesetzen das Mysterium von Golgatha abspielen mußte und wo man sich für das Verständnis der Christus-Wesenheit die eigentliche Grundlage bilden muß. Und was man sich auf der Erde daher erwirbt für das Christus-Verständnis, das ist die Vorbereitung - und zwar in einem ganz anderen Maße als irgend etwas anderes, wofür die Erde Vorbereitung ist - für alles Erschauen und Erkennen dieser betreffenden Wesenheit in den höheren Welten.
Daher war es so, daß in der Tat die Darlebung des Initiationsprinzipes bei der Christus-Wesenheit sich in einer ganz anderen Weise darstellte als bei den anderen Initiierten. Die letzteren erlebten eine übersinnliche Welt zuweilen in der tiefgehendsten Weise, gaben die Impulse, die daraus kamen, im Folgelauf der Menschheitsentwickelung; aber wenn sie in den höheren Welten erlebten, drinnenstanden, so waren sie aus ihrem physischen Leibe heraus. Wenn es auch bei hohen Initiierten gar nicht vieles bedarf, um aus dem physischen Leibe herauszukommen, wenn auch nur ein kleiner Schritt notwendig war, um aus dem physischen Leibe heraus gleich in eine Fülle von geistigen Tatsachen zu kommen, so bleibt es doch wahr, daß dieses Überspringen von dem physischen Leibe zu den höheren Leibern notwendig ist.
Bei dem Christus Jesus haben wir die eigentümliche Erscheinung, daß er nach dem Prinzip der Initiation, nach dem, was man sonst braucht an Darstellung der Initiation, wissentlich
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- was wir so wissentlich im Menschensinne nennen - im Grunde genommen in den ganzen drei Jahren, in denen er auf der Erde gelebt hat, sich nicht im Initiationssinne von dem physischen Leibe entfernt hat, sondern immer darinnengeblieben ist. Und was er dargelebt hat und der Welt gegeben hat während dieser drei Jahre, das hat er durch den physischen Leib gegeben. Durch die überphysischen Leiber haben die andern Initiierten der Menschheit gegeben, was sie zu geben hatten. In dem Christus haben wir die eine einzige Individualität, die alles, was sie getan hat, was sie gesprochen hat, was von ihr ausgegangen ist in die Menschheitsentwickelung, durch den physischen Leib und nicht auf dem Umwege durch höhere Leiber gegeben hat.
Dem populären Bewußtsein lebt sich das dadurch dar, daß es sich dem Gefühl nach so beurteilt: In dem Christus haben wir etwas vor uns, was das primitivste Bewußtsein verstehen kann, was jemand hat durch einen Leib, durch den wir sprechen, wenn wir im Alltagsleben sind. Dadurch dieses innige Verbundensein, dieses brüderliche Verbundensein mit der Christus-Individualität und dieses Verstehenkönnen der Christus-Individualität ohne Bildung, aus dem primitivsten, ursprünglichsten menschlichen Gemüt heraus!
Daher die Notwendigkeit des Hinaufarbeitens zu einem höheren Verständnis, wenn man die anderen Initiierten verstehen will. Es ist daher wahr, was ich in den letzten zehn Jahren oft betont habe: In dem Christus haben wir einen Initiierten, den das primitivste Gemüt verstehen kann, obwohl ihn jemand, der zu einem höheren Verständnis aufrückt, dann noch besser versteht. Was mit einem menschlichen Leibe verbunden sein kann, das war am meisten diesen menschlichen Leib vergeistigend in Christus Jesus vorhanden und wirkte in einem menschlichen Leibe durch den Christus Jesus. Dagegen bei den anderen Initiierten war das der Fall, daß sie, während sie ihr Spirituelles zu geben hatten, nicht vollständig im physischen Leib wirken konnten, sondern immer einen Ruck heraus machen mußten und dann wieder verkünden konnten, was ihnen aus der übersinnlichen Welt geblieben ist; während es bei dem Christus immer so war, daß er alles durch den physischen Leib in der physischen Welt darzuleben hatte.
Solche Dinge muß man berücksichtigen, wenn man auf die wahren Verhältnisse eingehen will. Alles andere ist ein Herumreden, so, wenn man etwa davon spricht, der Christus stehe höher oder die andern Initiierten stehen höher. Durch diese Rangordnung, auf die es absolut nicht ankommt, begreift man nichts. Darauf aber kommt es an, daß man in die Verhältnisse der Wesenheiten einen Blick tut. Nach seinem Geschmack mag der eine den einen, der andere den anderen Religionsstifter höher nennen. Das wird nicht viel schaden, denn solchen Schwächen sind die Menschen immer unterworfen. Aber darauf kommt es an, zu wissen, worin der wirkliche, der reale Unterschied besteht zwischen der Art, wie der Christus und wie die anderen Initiierten in der Welt dastehen. Dann kann man die Menschen ruhig sagen lassen: Ich halte die eine Individualität für höher als die andere, nach dem, wie sie gewirkt haben. Begreift man aber den charakterisierten Unterschied, dann begreift man auch den Unterschied in den Impulsen, die durch die Initiierten in die Welt gekommen sind.