Ausgewählte Zyklen und Vorträge aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners

 

Rudolf Steiner (1861-1925):

GA 101 Mythen und Sagen. Okkulte Zeichen und Symbole

6. Vortrag Berlin, 13. November 1907

Die ersten Kapitel der Genesis. Verkörperung luziferischer Wesen in niedere Tiere (Schlangen, Drachen), welche damals schon ihre physischen Sinnesorgane gebrauchen konnten. Durch sie wurden die bis dahin "unschuldigen" (teilbewußten) Menschen angeregt, ihre Begierdennatur in die unteren Körperbereiche (der Fortpflanzungsorgane) hineinzuerstrecken und damit physisch sehend zu werden.

In den letzten Stunden sprachen wir von verschiedenen Mythen und Sagen und charakterisierten dabei, wie in diesen Mythen und Sagen der verschiedenen Völker dasjenige zum Vorschein kommt, was wir auch wiederum kennengelernt haben durch die theosophische Welt­anschauung, das, was wir als die Erscheinung der astralen und der geistigen Welt ansprechen. Wir haben auch von verschiedenen Zei­chen und Symbolen gesprochen, und wir haben immer wieder betont, wie in diesen verschiedenen Zeichen und Symbolen nichts gegeben ist, worüber man in einer beliebigen Weise spekulieren, philosophie­ren, nachdenken könnte, das man so oder so ausdeuten könnte, son­dern man muß von ihnen sagen, sie sind wirkliche Wiedergaben von Vorgängen in den höheren Welten.

Nun bitte ich immer wieder, zu berücksichtigen, daß wir durch weite Geistesströmungen der Erdenentwickelung hindurch Zeichen, Märchen, Sagen haben, die nichts anderes ausdrücken als das, was der Seher, was der mit den übersinn­lichen Erscheinungen Bekannte in den höheren Welten erleben kann. Ich brauche ja nur auf das einfache Zeichen der sogenannten Swastika, das Hakenkreuz, einzugehen, auf jenes Zeichen, das Sie al­le kennen, und über das Sie so viele mehr oder weniger geistreiche Erklärungen kennen. Die meisten Erklärungen sind Unsinn, wenn sie auch noch so geistreich sind. Es kann jemand sehr gescheit sein, viel nachdenken, und doch eine ungeheure Dummheit sagen, wenn er nicht weiß, worauf es ankommt.

Dieses Hakenkreuz oder Swasti­ka ist nichts anderes als die Wiedergabe dessen, was man astrale Sin­nesorgane nennt - man nennt sie auch Lotusblumen -, die sich zu regen beginnen, wenn der Mensch gewisse Übungen vornimmt; sie beginnen sich zu regen, wenn er eine bestimmte Entwickelung durchmacht. Ich habe immer wieder gesagt, man solle dabei ebensowenig an eine Blume denken, wie man bei dem Wort Lungenflügel

102
an Flügel denkt. Das ist ein Wort; und mehr haben Sie in den Lotus­blumen auch nicht gegeben als eine bildhafte Bezeichnung dessen, was sich beim Seher entwickelt, wenn er nach und nach die astralen Sinnesorgane aus seinem Astralorganismus herausholt. Wenn wir dieses Prinzip der Erklärung beherzigen, werden wir nie versucht sein, irgendwelche Spekulationen oder dergleichen anzuwenden auf das, was wir in religiösen und anderen Urkunden finden. Wir wer­den uns vielmehr bemühen, die wirkliche Geheimwissenschaft oder okkulte Weisheit zu Rate zu ziehen, um im jeweiligen Falle uns von ihr sagen zu lassen, was das eine oder das andere bedeutet.

Vieles über die persische und germanische Sage ist uns in den letzten Montagsvorträgen schon klar geworden.


Heute möchte ich Sie auf einiges hinweisen, das Sie in einer Ihnen viel näheren Urkunde finden können, in der Bibel. Ich möchte Sie auf die Bibel heute gerade aus dem Grunde hinweisen, damit Sie sehen, in wie vielfältiger Weise gerade vom Standpunkte der Geistes­wissenschaft aus die Bibel übereinstimmt mit den mannigfaltigsten Sagen und Mythen der Völker, und wie tief wir auch in die biblische Urkunde hineinsehen können, wenn wir einfach die okkulte Weis­heit um Auskunft über sie fragen. Wer werden heute einiges aus den Anfangskapiteln der Bibel einmal vor unsere Seele stellen.

Sie wissen, da wird erzählt die Entstehung der Erde, der Welt überhaupt, im Zusammenhange mit dem Menschen. Die mannigfal­tigsten Erklärungen finden Sie gerade über diese sogenannte Genesis, über die Geheimnisse, die sich hinter den ersten, den Eingangskapi­teln der Bibel verbergen. Wir wollen uns vorzugsweise daran erin­nern, daß, als der Mensch zum ersten Mal ein Erdenbürger in seiner gegenwärtigen Gestalt wurde, dazumal ganz andere Verhältnisse auf unserer Erde waren als die späteren, die der heutige Mensch kennt.

Wir wissen, daß, nachdem die Erde frühere Entwickelungszustände durchlaufen hat - einen Saturnzustand, einen Sonnen- und einen Mondenzustand -, daß sie dann wiederum hervortrat, zunächst in Verbindung mit Sonne und Mond. Was heute als Sonne, als Mond zu uns herüberschaut, bildete damals mit unserer Erde einen Kör­per.

Wir wissen, daß dann die Sonne mit allen ihren Wesenheiten

103
sich abtrennte, daß dann der Mond sich abtrennte, auch mit gewis­sen Substanzen und Wesenheiten, und daß unsere Erde zurückblieb in einem Zeitraum, den wir gewohnt sind, den lemurischen Zeitraum zu nennen. Damals bestand die Erde aus feurig-flüssigen Substanzen, die ja im Grunde dieselben waren wie die heutigen Substanzen, nur war die Erde ein feuriger, feuernebliger Weltkörper, in dem alle die Metalle und Mineralien, die heute fest sind, aufgelöst waren, und in dem solche Wesen, wie sie heute auf der Erde sind, nicht leben konnten. Dagegen konnten Wesen ganz anderer Natur und Eigenart leben, und dazu gehörte ja damals schon der Mensch, dessen Dasein immer mit der Entwickelung unseres Planeten verbunden war.

Nun wollen wir einmal den Menschen selber betrachten. Wenn Sie sich den Menschen von damals, also zu der Zeit, als Sonne und Mond sich eben abgetrennt hatten von der Erde, so vorstellen wür­den wie den Menschen von heute, der mit den Ohren hört und mit den Augen sieht, so würden Sie ihn sich ganz falsch vorstellen. Viel­mehr müssen Sie sich vorstellen, daß der Mensch in den Anfangszu­ständen der Erde ein ganz anderes Bewußtsein besaß als es der heuti­ge Mensch hat.

Unser heutiges Tagesbewußtsein, das durch die In­strumente der äußeren Sinne wahrnimmt, war noch nicht da.

Wel­che Bewußtseinsarten kennen wir außer dem Tagesbewußtsein? Sie kennen das Bewußtsein, das für die meisten heutigen Menschen ein Unbewußtsein ist, das Bewußtsein im tiefen Schlaf. Sie wissen, die­ses Bewußtsein haben außer dem Menschen auch die um den Men­schen herum lebenden Pflanzen. Die Pflanzen haben dieses Bewußt­sein fortwährend, der Mensch hat es nur, wenn er schläft. Der heuti­ge Mensch, der die Pflanze betrachtet, muß sich also sagen: Die Pflanze stellt ihm jenes Bewußtsein dar, das er selbst hat, wenn er schläft. Der Mensch ist ja auch ein pflanzenartiges Wesen, könnte man sagen, wenn er schläft. Die Pflanze hat nur physischen Leib und Ätherleib. Auch der Mensch hat physischen Leib und Ätherleib, die liegen im Bett.

Nun kommt der Unterschied: Der Mensch, der im Bette liegt, hat einen zu ihm gehörigen Astralleib mit dem Ich; diese sind in gewisser Beziehung vom physischen Leib und Ätherleib getrennt; aber ein einzelner Astralleib gehört zu dem physischen

104
und dem Ätherleib, die im Bette liegen. Zu der einzelnen Pflanze gehört jedoch kein einzelner Astralleib, sondern die ganze Erde hat einen Astralleib, und die einzelnen Pflanzen müssen Sie betrachten wie eingebettet, wie eingegliedert in diesen gemeinschaft­lichen Astralleib der Erde.

Es stimmt durchaus, daß, wenn Sie die einzelne Pflanze verletzen, oder irgend etwas der einzelnen Pflanze tun, sie es nicht spürt, sondern die Erde als ganzes in dem gemein­schaftlichen Astralleib spürt es.

Ich habe schon einmal darauf auf­merksam gemacht, daß der Seher weiß: Wenn Sie eine Blume pflücken, wenn Sie die Samen der Pflanzen nehmen im Herbst oder auch das Getreide mähen, dann ist es so, wie wenn Sie meinetwillen der Kuh die Milch nehmen, oder wenn das Kalb der Kuh die Milch absäugt. Es ist ein Wohlgefühl für den Astralleib der Erde. Ein Schmerzgefühl tritt nur ein, wenn Sie die Pflanze mit der Wurzel ausreißen; dann ist es ähnlich, wie wenn Sie dem einzelnen Tier ein Stück Fleisch aus dem Leibe reißen.

Sie müssen sich auch klar sein darüber, daß es einen ähnlichen Zustand wie den des Schlafens und Wachens auch für die Erde gibt, nicht für die einzelne Pflanze. Die einzelne Pflanze kennt nur den Bewußtseinszustand, den Sie haben, wenn Sie mit Ihrem Ätherleib und physischen Leib im Bette liegen.

Zwischen diesen beiden Zuständen des Schlafens und Wachens ist ein anderer Bewußtseinszustand, der dem heutigen Menschen wenig bekannt ist; es ist der Zustand, von dem sozusagen als letzte Erinne­rung, wie ein Atavismus, ein Erbstück, das traumerfüllte Schlafen vorhanden ist, wo das Schlafbewußtsein sich anfüllt mit den man­nigfaltigsten symbolischen Bildern, die wir oft beschrieben haben. Der größte Teil der Tierwelt hat ein solches Bewußtsein. Jeder, der mit diesen Verhältnissen bekannt ist, kann Ihnen das sagen, daß der größte Teil der Tierwelt eine Art Traumbewußtsein hat; und es ist ein vollständiger Unsinn, wenn die Frage aufgeworfen wird, ob nicht die Tiere ein ähnliches Ich-Bewußtsein hätten, wie es die Men­schen haben.

Man erlebt es, daß man den Leuten ganz genau be­schreibt, wie der Mensch die Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchzumachen hat, und daß dann jemand kommt und fragt: Könnte denn der Mensch nicht diese Zeit auf einem ganz

105
anderen Planeten durchmachen? -, oder daß jemand fragt: Könnte nicht dies oder jenes sein? - «Sein können» kann alles mögliche in der Welt. Es handelt sich nie darum, was sein könnte, sondern um das, was ist. Das muß man sich vor allem vorhalten. Manche Leute fallen heute darauf herein, wenn zum Beispiel der Pflanze ein Lie­besleben zugeschrieben wird. Mit solchen Sachen wird der tollste Humbug getrieben; und wenn die Sache gar «Wissenschaft» genannt wird, da gilt alles, was sonst kein Ansehen hat.

Wir haben als dritten Bewußtseinszustand eine Art Bilderbe­wußtsein, das im Traume nur schattenhaft vorhanden ist, und dieses Bewußtsein ist mit immer größerer Ausgesprochenheit im Anfange des Erdendaseins für den Menschen vorhanden.

Als der Mensch sei­ne Laufbahn als Erdenbürger angetreten hat, hatte er noch keine Augen zum Sehen, und er hätte sich auch nicht solcher Ohren bedie­nen können wie heute, um die Außenwelt sinnlich wahrzunehmen, obwohl alles in der Anlage vorhanden war. Solche physischen For­men und Farben, wie sie heute durch die Sinne erlebt werden, erleb­te der damalige Mensch nicht; sein Bewußtsein war ein Bilderbe­wußtsein, durch das vor allem geistige Zustände wahrgenommen wurden.

Gewiß, es konnten in der Umgebung eines Menschen auch Gegenstände sein ähnlich wie diese Rose. Wenn der Mensch sich diesen Gegenständen genähert hat, nahm er nicht die rote Farbe wahr, nicht diese Formen, nicht diese grünen Blätter, alles das nicht in dieser Weise. Aber wenn er sich dem Gegenstande näherte, stieg in ihm ein Bild auf, das ihm zunächst an dieser Stelle, wo jetzt das Grün ist, ein rotes Gebilde zeigte, und wo jetzt das Rot ist, ein grün­lich-bläuliches Gebilde; es zeigte sich in Farben, die überhaupt in der physischen Welt so nicht vorkommen, sondern die nur ausdrückten, daß es sich hier um ein Gebilde handelte, das dem Menschen seelisch-geistig sympathisch war. Näherte sich der Mensch zum Beispiel ei­nem ihm gut gesinnten Wesen aus der Tierwelt, so stiegen gewisse Farben vor ihm auf, die die Sympathie ausdrückten, die das Tier für ihn hatte. Näherte er sich einem Tier, das ihn fressen wollte, so drückte sich das wieder in einem anderen Farbengebilde aus. Freund­schaft zweier Wesen drückte sich durch Farben und Formen aus.


106

Nun denken Sie sich einmal, daß damals der Mensch selber kei­neswegs imstande war, seine eigene Körperlichkeit zu sehen, denn die gehört auch zu alledem, wozu man sinnliche Instrumente braucht, um sich wahrzunehmen. Der Mensch konnte seine Seele selber sehen, er sah die aus ihm herausflutenden Farben. Was heute der Seher sieht, konnte er sehen in einem ursprünglichen, dumpfen dämmerhaften Hellseherbewußtsein. Aber davon war keine Rede, daß er hätte seine eigenen Körperformen sehen können; die waren ihm vollständig verschlossen.

Stellen wir uns jetzt diesen Moment einmal lebendig vor. Der Mensch kommt herunter aus dem Schoße der Gottheit, um einzutauchen in die Erde, die sich eben losgelöst hat von Sonne und Mond. Da kommt der Mensch herunter. Er hat nicht die geringste Fähigkeit, Sonne und Mond und die Erde selber als physische Kör­per zu sehen. Aber der Moment ist für ihn gekommen, wo das Ich, das heute in Ihnen allen wohnt, das früher vereinigt war mit der göttlichen Substanz, herunterstieg in die drei Leiber. Seit dem Sa­turndasein der Erde war da der physische Leib, seit dem Sonnenda­sein der Ätherleib, und seit dem Mondendasein der Astralleib. Der Astralleib, der Ätherleib und der physische Leib waren herüberge­kommen vom Mondendasein. Das Ich war, als die Erde Saturn war, in der Sphäre der Göttlichkeit. Auch als die Erde Sonne war, auch als sie Mond war, war das Ich in der Sphäre der Göttlichkeit.

Stellen wir uns jetzt deutlich den Zustand der eben gewordenen Erde vor. Wir haben den Menschen aus physischem Leib, Ätherleib und Astralleib und, man möchte sagen, einer Höhlung im Astralleib be­stehend, einer Einschnürung. In diese tropft förmlich das Ich hinein und verbindet sich zunächst mit dem astralischen Leibe, und es er­langt in diesem astralischen Leibe ein Bilderbewußtsein, wie ich es eben beschrieben habe. Dadurch ist der Mensch ein viergliedriges Wesen geworden. Das Ich hat sich vereinigt mit dem, was sich durch die drei Stadien Saturn, Sonne und Mond vorbereitet hatte, als das Ich des Menschen oben im Schoße der Gottheit war.

Während des Saturn-, Sonnen- und Mondenzustandes der Erde war das Ich, das jetzt in Ihnen allen wohnt, vereinigt mit der Gottheit oben, und unten

107
bildeten sich zur Vorbereitung Ihre Leiber, Ihr physischer Leib auf dem Saturn, Ihr Ätherleib auf der Sonne und Ihr Astralleib auf dem Monde. Das bereitete sich unten vor.

Man könnte sagen, die Gottheit sah herunter, wie die Leiber sich dazu vorbereiteten, um dann, wenn die Gottheit diese Tropfen der Ichheit heruntersenkte, reif zu sein, die Ichheit aufzunehmen. Was heute in Ihnen wohnt, wohnte damals in der Gottheit und sah auf die drei Leiber herunter. Hätten damals Ihre Seele, Ihr Ich, ihr Dasein empfinden können wie heute, so hätten sie es empfunden, indem sie ihre Heimat genannt haben würden die «Himmel». Denn sie waren «in den Himmeln»; sie hatten nur ein dumpfes, dämmriges Bewußtsein, aber sie waren in den Himmeln.

Und jetzt war der wichtige Moment eingetreten, wo der gleich­mäßig fortgehende frühere Zustand sich gliederte in zwei. Im An­fange des Erdendaseins war ein Zustand für die Menschen, wo sie noch als eigentliche Bewußtseinsmenschen, als Ichheit «in den Himmeln» waren. Nun tropfte das Ich herunter in die Leiber. Da ward geschaffen der Unterschied zwischen dem, wo die Menschen früher waren, und dem, wo sie jetzt sind: Himmel und Erde. Das ist das Erlebnis Ihres Ich beim Herunterziehen. Was steht nun am Anfange der Genesis?

Im Anfange - oder: im Urbeginne - schuf Gott den Himmel und die Erde.

Nichts hatte Ihr Ich, als es noch im Schoße der Gottheit war, sehen können. Jetzt, auf der Erde, ist es bestimmt, zum ersten Mal zu se­hen, allerdings zunächst mit dumpfem Bilderbewußtsein. Vorher sah es noch nichts; es mußte sich erst hineinleben in den astralischen Leib, daß es sehen lernte.

Und die Erde war wüst und wirre.

Das ist wiederum ein subjektives Erlebnis Ihrer Seele. Was sie erleb­te, wird geschildert. Die Erde für sich war noch «wüst und wirre», und alles war Flüssigkeit, denn in einem feurig-flüssigen Zustand war die Erde.


108

Und der Geist der Gottheit den Ihr Ich eben verlassen hatte, brütete über den Flüssigkeiten, oder: schwebte über den Wassern.

Sie sehen, was geschildert ist in der Genesis, sind die wirklichen Erlebnisse Ihres Ich. Und was schlug jetzt hinein in das ganze? Jetzt kommt der Moment, wo das Ich anfängt, astralisch zu sehen, es wur­de gewahr, daß ringsherum andere Wesen sind. Aus der Finsternis sprießt hervor allseitig das astralische Licht.

Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.

Damit ist kein physisches Licht gemeint, es ist das astralische Licht gemeint. Auch hier sind Tatsachen geschildert, die das menschliche Ich durchlebte.

Und Gott sah das Licht, daß es schön sei, und Gott schied das Licht von der Finsternis.

Was heißt das? Sie werden im Verlaufe der Vorträge noch weiter ausgeführt erhalten, daß überall da, wo ein astralischer Leib vorhan­den ist, Ermüdung eintreten muß. Das Leben eines Astralleibes kann nicht anders verlaufen, als daß Ermüdung eintritt. Daher muß auch eine Ausgleichung für die Ermüdung da sein. Ein Wesen, das ermüdet, muß Zustände durchmachen, in denen diese Ermüdung wieder gutgemacht wird.

Stellen Sie sich jetzt nichts Äußerliches vor, sondern nur die Erlebnisse des Ich. Das Ich wird in den Astral­leib hineingesenkt, es ermüdet, indem es sein Bilderbewußtsein ent­faltet. Es muß wiederum in einen Zustand kommen, in dem es die Ermüdung ausgleichen kann. Zweierlei Bewußtseinszustände haben wir, in die das Ich kommt: einen Zustand, wo das Ich in Bildern lebt, wo die geistigen Erlebnisse in Bildern sich darstellen, und einen anderen, wo alles wieder hinuntertaucht in Finsternis, aus der das Ich herausgeboren ist, und wo die Ermüdung fortgeschafft wird, aber auch wo unterbrochen wird der Lichtzustand, der um das Ich herum ist.

Die Gottheit hatte das Leben des Ich in zwei Teile geteilt,

109
in einen, wo Licht war und in einen anderen, wo Finsternis war. Stellen Sie sich so das Leben der Lichtwesen auf der Erde vor.

Und Gott schied das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte er Nacht.

Das hat nichts zu tun mit dem Sonnenumlauf oder mit dem Mondumlauf, das hat lediglich zu tun mit dem geistigen Unterschied von astralischem Durchleuchtetsein des Bewußtseins und dem finsteren Zustand, wo kein Erleuchtetsein da ist. Sie müssen vollständig ins Auge fassen, daß hier innere Tatsachen, Erlebnisse des Ich geschil­dert werden.

Stellen Sie sich recht lebhaft vor, wie der schlafende Mensch seinem physischen und Ätherleibe nach im Bette liegt, außerhalb des physischen und Ätherleibes sind Astralleib und Ich. So war es im Anfangszustand der Erde fortwährend. Der Astralleib war nie etwa so vollständig im physischen und ätherischen Leibe drinnen wie heute, gar keine Rede davon, sondern nur so, daß er einen Teil des Ätherleibes erfüllte.

Etwa so, wie es beim heutigen Menschen im Schlafe ist, wo der Astralleib aus dem physischen Leib, aber noch nicht ganz aus dem Ätherleib heraus ist, so müssen Sie sich vorstellen dieses Ich, das eben heruntergekommen ist aus dem Schoße der Gottheit, mit seinem astralischen Leib zu einem physischen Leib und einem Ätherleib hinzugehörte, aber sie noch nicht vollständig durchdringt. Der heutige Naturforscher würde sagen, solch ein Leben sei überhaupt nicht möglich. Aber es war, unter anderen Gesetzen stehend, durchaus möglich.

An einem Bild wollen wir uns vorstellen, wie das war. Stellen wir uns wiederum diese unsere Erde vor, aber jetzt flutend im Feuernebel, diese Feuernebel in fortwährender Bewegung, die astralischen Leiber mit den Ichs wie Geisteswesen darüberschwebend. Denken Sie sich, es wäre so, daß Sie jetzt plötzlich alle anfangen würden zu schlafen. Dann würden Ihre astralischen Leiber herauskommen. Nur die physischen Leiber sind träge; wenn die astralischen Leiber herauskommen, behalten die physischen Leiber ihre Gestalt.

Da­mals, als die Erde im Feuernebel war, war das anders, alles war in lebhafter Bewegung. Es war ähnlich so, wie wenn Sie heute an

110
einem Gebirgstal stehen und die Nebelmassen hin- und herziehen und die verschiedensten Gestalten annehmen sehen. Jetzt bleibt Ihr physischer Leib träge in seiner festen Form. Damals war alles in Be­wegung. Der damalige physische Leib löste sich auf und setzte sich wieder zusammen. Das alles war bedingt durch die Kräfte, die von oben ausgingen. So unterschied sich das damalige Dasein von dem heutigen.

Als die Erde noch flüssig war, war alle Form abhängig von den geistigen Kräften, zu denen Sie selbst gehörten. Denken Sie sich einmal, was da unten geschah. Das Feste bereitete sich nach und nach vor. Aus einem vollständig flüssig-wäßrigen Zustand bereiteten sich nach und nach diese festen Körper vor. Es setzten sich immer mehr starre Formen ab. Wie wenn im Gebirge die ziehenden Nebel feste Formen annehmen und sich kristallisieren würden, so bildeten sich nach und nach die ersten menschlichen Gestalten heraus aus den wirbelnden Feuernebelmassen.

Und Gott sprach: Es werde Gestalt - oder: Ausdehnung - inmitten der Wasser, und es scheide sich das Wasser vom Wasser.

Wenn Sie sich das richtig im Bilde vorstellen, haben Sie den Vorgang, den ich eben beschrieben habe.

Und Gott machte die Scheidung der Wasser und schied das Wasser unterhalb der Ausdehnung von dem Wasser oberhalb der Ausdehnung. Und das, was oberhalb war, nannte er Himmel. Das war der zweite Tag.

Darin liegt wieder eine tiefe Weisheit. Was sind das für zwei «Aus­dehnungen»? Damit sind die zwei Teile der menschlichen Natur ge­meint, die immer ineinander gemischt sind, des Menschen niedere Natur und des Menschen geistige Natur. Die geistige Natur, die ihren Ausdruck findet in dem, was der Sonne zugeneigt ist, und die niedere Natur, die dem Mittelpunkte der Erde zugeneigt ist. Das sind die zwei Naturen, die alle Religionsurkunden bezeichnen als beherrscht von zwei ganz verschiedenen Mächten, von den himmli­schen Mächten und den Unterweltsmächten. Die himmlische Aus­dehnung und die Erdenausdehnung, die schied Gott voneinander.


111

Es wurde hier auf der Erde sichtbar, was auf dem Monde noch gar nicht sichtbar war. Eine ungeheuer tiefe Weisheit, die einer völligen Wahrheit entspricht, ist auch darin ausgedrückt. Auf dem alten Monde wandelten noch nicht einzelne Menschengestalten herum wie jetzt auf der Erde, das gab es auf dem Monde nicht. Die Men­schenvorfahren, die Vorfahrenkörper der Menschen auf dem alten Monde, bestanden aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib, sie hatten nur eine Ausdehnung, die Ausdehnung nach dem Planeten, nicht nach den Himmeln. Sie waren tierähnlich, kein Ich wohnte noch darin.

Das Tier ist auf dieser früheren Entwickelungsstufe zu­rückgeblieben. Das zeigt sich Ihnen noch heute klar daran, wie es mit seinem Antlitz sich nicht erheben kann zur Sonne, wie es in sei­nen vorderen Gliedmaßen nicht freie Arbeitsorgane hat, um Ab­sichten und Ideen des Geistes zu verwirklichen. Das Tier ist wie ein Balken, der auf vier Säulen steht.

Der Mensch hat diesen Balken aus Bild der horizontalen Lage in die vertikale gebracht. Durch das nach oben gerichtete Antlitz ist er nicht nur Erdenbürger, sondern Wel­tenbürger. Die zwei vorderen Stützen, die zwei vorderen Gliedma­ßen sind zu Werkzeugen des Geistes geworden. Das drückt sich aus in der Scheidung des Teiles der menschlichen Gestalt, der zur Erde gehört, von dem Teil, der zu dem Weltenraum gehört.

Und Gott machte eine Ausdehnung zwischen den unteren Wassern und den oberen Wassern.

Diese Verschiedenheit der menschlichen Gestalt ist damit gemeint; es ist wiederum ein Erlebnis des ursprünglichen Menschenwesens.


112

Nun mußte derjenige Teil der menschlichen Gestalt, welcher dem Ich dienen sollte, einen Mittelpunkt haben, ein Zentrum. Das bekam er in der Tat.

Das erste Zentrum dieses noch weichen Menschenleibes kam dadurch zustande, daß in dem nach oben gerich­teten Teil alle Strömungen zusammenliefen. Da gehen die verschie­densten Strömungen hindurch, die Sie sich vorzustellen haben als den Beginn von Nerven- und Blutströmungen. Die sammelten sich alle oben in mächtigen Feuerzungen, welche ehemals oben am Kopfe - aber als der Körper noch vollständig weich war - aus dem Menschen herauszüngelten.

Jenes Organ, das der Mensch da hatte, und von dem der letzte Rest die Zirbeldrüse ist, war das erste Organ, womit der Mensch anfing, physisch wahrzunehmen. Kam er in die Nähe von etwas für ihn Gefährlichem, so nahm das dieses Organ wahr, und dadurch fühlte der Mensch, daß er da nicht hingehen durfte. Durch dieses Organ fand er sich zurecht.

Sie dürfen sich dieses Organ nicht als ein ursprüngliches Auge vorstellen - aus einer solchen Vorstellung entspringen alle möglichen Irrtümer -, sondern Sie müssen sich vorstellen, daß es eine Art Wärmeorgan war, durch welches der Mensch, auch auf weite Entfernungen hin, kalte und warme Zustände unterscheiden konnte, und solche, die für ihn schädlich oder nützlich waren.

Dieses Organ stand gleichzeitig in einem gewissen Zusammenhang mit denjenigen Organen, die wir die Lymphorgane nennen, welche mit den Strömungen im Menschenleib verwandt sind, die mit den weißen Blutkörperchen in Zusammenhang stehen. Das Wohl und Wehe des Menschen, der vorzugsweise noch weiße Blutkörperchen hatte, hing ab von dem, was dieses Organ wahrnahm. Das war also ein Mittelpunkt, in dem alles das gesammelt war, was als Gestaltung in der Ausdehnung der Himmel da war.

Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unterhalb der Himmel an einem Orte, daß das Trockene sichtbar werde! Und es geschah so. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Ansammlung der Wasser nannte er Meer. Und Gott sah, daß es schön war.


113

Sie sehen hier hingewiesen auf eine andere Ansammlung von Strömungen; diese sind in der unteren, in der Erdennatur des Men­schen. Sie beziehen sich auf die Reproduktion des Menschen, auf die Fortpflanzung.

Aber die Fortpflanzung war in diesen alten Zeiten - das ist sehr wichtig - durchaus bedeckt von der absolutesten Be­wußtlosigkeit. Das ist ein tiefes Geheimnis des Weltenwerdens. Man könnte sagen, es ist das ursprüngliche göttliche Gebot, das die Gott­heit den Erdenwesen gab: Ihr sollt nicht wissen, wie ihr euch auf der Erde fortpflanzt. Das ganze Fortpflanzungsgeschäft war gehüllt in tiefe Bewußtlosigkeit. Während der Zeiten, als auf der Erde Bewußt­heit auftauchte, wurde keine Fortpflanzung vollzogen.

Denken Sie sich, daß also das Wesen des Menschen nach dieser Richtung darin bestand, daß er von einer vollständigen Unschuld oder Bewußtlosig­keit über diesen Vorgang auf der Erde ausgegangen ist. Was hat der Mensch also am Beginn seines Erdendaseins gewußt? Gewußt hat er bloß seine geistige Abstammung, er hat gewußt, daß er herunterge­stiegen ist als ein Ich aus dem Schoße der Gottheit. Woher er kommt in physischer Beziehung, woher seine Leiber kommen, das war ihm vollständig verschlossen, davon wußte er nichts, das war übergossen von einem vollständigen Unschuldszustand.

Stellen wir uns ganz genau vor, was damals vorging.

Die Menschen entstanden auf die Art, wie wir es eben beschrie­ben haben. Menschen, die auf dem Monde ihren physischen Leib, ihren Äther- und Astralleib ausgebildet hatten, die empfingen jetzt ihr Ich, Menschen, welche in vollständiger Unschuld waren über alles, was in der physischen Welt vor sich ging. Sie konnten das ja auch nicht sehen; sie sahen ja ihren eigenen physischen Leib nicht. Sie sahen geistige Zustände; sie wußten, sie stammten ab von der Gottheit.

Da waren aber andere Wesenheiten, nicht Menschen, son­dern Wesenheiten, die zurückgeblieben waren auf dem alten Mon­de, die nicht haben Götter werden können. Was auf dem Monde eine höhere Stufe erreicht hatte, hatte jetzt seinen Schauplatz auf der Sonne, wo die Elohim sind, welche auf der Sonne so wohnen, wie der Mensch auf der Erde.

Nun gab es eine parallele Entwickelung der Wesen auf der Sonne und auf der Erde. Nachdem die Sonne und

114
der Mond herausgegangen waren aus der Erde, war die Erde hinein­gestellt zwischen Sonne auf der einen und Mond auf der anderen Sei­te. Das höchste Wesen, das auf der Erde sich entwickelte, war ein Wesen mit physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich: der Mensch.

Auf der Sonne hatte das höchste Wesen physischen Leib - aber in ganz anderer Form als der menschliche -, Ätherleib, Astral­leib, Ich, Geistselbst (Manas), Lebensgeist (Budhi), Geistesmensch (Atma), und dazu einen achten Teil, über Atma hinaus. Also höhere Wesen, die schon ein achtes Glied entwickelt hatten, sind die Elohim, die Sonnengeister, die, als die Erde und die Sonne sich getrennt hat­ten, einen anderen Weg eingeschlagen haben. Die Menschen hatten den Erdenweg eingeschlagen. Die Sonnengeister hatten ihr Atma schon auf dem Monde ausgebildet, sie waren auf die Sonne gegan­gen, um sich da höher zu entwickeln.

Nun waren auf dem alten Monde aber Wesen darunter, die nicht mitgehen konnten mit der Sonne, weil sie eben «sitzen geblieben» waren. Sie waren natürlich viel höher entwickelt als die Menschen, sie hatten etwas, was die Menschen sich erst erringen sollten, sie hatten schon ein solches Be­wußtsein, wodurch man äußere physische Gegenstände sieht. Sie konnten sich schon der Werkzeuge bedienen, die der Mensch noch nicht gebrauchen konnte.

Der Mensch hatte noch blinde Augen und taube Ohren. Seine Augen und Ohren waren erst in der Anlage aus­gebildet, sie sollten später sehend und hörend werden.

Aber niedere Tiere der damaligen Zeit hatten sich von dem Monde her Gestalten übrig behalten, die sie in gewisser Weise schon eher benutzen konn­ten als die Menschen ihre Leiber. Und darin verkörperten sich zu­nächst auf der Erde tatsächlich jene Wesen, die vom Monde herüber­gekommen waren, und die noch nicht so weit waren, um mit der Sonne mitzugehen, die aber weiter waren als die Menschen. Sie ver­körperten sich in Gestalten, die jetzt längst untergegangen sind, in Wesen, die sie fähig machten, hinauszusehen in die physische Umge­bung.

Es beseelten, durchgeistigten diese Wesen, die zwischen Men­schen und Göttern stehend waren, solche niedere Gestalten, denn die höheren menschlichen Leiber waren noch zu ungeschickt, wie ja auch ein Kind viel ungeschickter ist als ein junges Huhn, wenn es

115
geboren wird.

Diese niederen Wesen waren Drachen oder Schlangen, die dazumal provisorisch bewohnt wurden von diesen zwischen den Göttern und den Menschen stehenden Wesen. Diese Gestalten wa­ren innig verwandt dem, was im Menschen zur Erde gehört; nichts hatten sie von dem, was im Menschen lebte von dem zur Sonne ge­richteten Teil.

Aber etwas hatten sie den Menschen voraus, die noch in dumpfem Bilderbewußtsein lebten: Sie konnten die physischen Gegenstände, die auf der Erde waren, schon wahrnehmen. Der Mensch lebte in voller Unschuld über den physischen Vorgang des Geschlechtlichen; das war für ihn in Finsternis gehüllt. Diese Wesen sahen ihn, wie ihn die Götter sahen, deshalb konnten sie an den Menschen herantreten und sagen: Ihr könnt werden wie die Götter, ihr braucht nur eines zu tun, ihr braucht nur eure Begierde bis in die unteren Regionen hineinzuerstrecken; sobald eure Begierde sich in die tiefsten Regionen erstreckt, werdet ihr sehend wie die Götter; wenn ihr das tut, dann werdet ihr eure eigene Gestalt sehen.

Der Unschuldszustand wurde der Menschheit in gewisser Weise dadurch genommen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Freiheit, die der Mensch dadurch erlangt hat.

[Lücke in der Nachschrift.]

Wesenheiten, die zwischen Sonnenbewohnern und Erdenbewohnern stehend waren, die sich nicht das Anrecht an der Sonne haben erringen können, die wollten den Menschen die Augen öffnen; sie traten als Verführer an die Menschen heran und sagten:

Eure Augen werden aufgetan werden, und ihr werdet wissen, was gut und böse ist. Ihr werdet sehen, was um euch herum ist, und ihr werdet kennen lernen den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen und den Baum des Lebens.

So sind die religiösen Urkunden wörtlich wahr. Wir müssen nur lernen, sie wiederum wörtlich zu verstehen. Die heutige Betrach­tung wird Ihnen wohl gezeigt haben, daß man über diese Dinge nicht spekulieren darf. Man muß die wirkliche Geheimwissenschaft fragen, dann kommt in wunderbarer Weise Licht in die religiösen Urkunden.